Zum Titelbild V&R April 2023

Radebeuler Wasserturm, Am Wasserturm o.Nr.

Durch seine Höhe (ca. 39m) und die Lage oben auf der Hangkante hat er auch Wahrzeichencharakter, er ist ein Kulturdenkmal, ein technisches Denkmal. Nach Gemeindebeschluss von 1914 und einem Gestaltungswettbewerb begann der Bau 1916 im 1. Weltkrieg nach den Plänen der Architekten Dr. Richard Müller und Richard Schleinitz und wurde dann 1917 eingeweiht. Er trug bald auch den Beinamen Franzosenturm, weil die Dresdner Baufirma J. Odorico durch gefangen genommene französische Soldaten unterstützt worden war. Das Bauwerk wurde in Stahlbeton errichtet, hat einen ca. 350m³ Wasser fassenden Stahlbehälter und ein gestaffeltes, mit roten Biberschwanzziegeln gedecktes Kegeldach. Leitungen und technische Armaturen wurden seither mehrfach erneuert, so bei der Wiederinbetriebnahme nach Kriegsschäden 1947 und auch 1996/97. Das Titelbild „Projekt A“ ist ein Schaubild von R. Schleinitz und sagt aus, dass es noch alternative Gestaltungen gegeben hatte. Wie ein Foto von 2023 zeigt, hat es beim äußeren Bild des Wasserturms seither keine Veränderungen gegeben.

Dietrich Lohse

Sei kreativ im Kollektiv


oder Großes Stadtteil-Frühlingsfest
mit Trödel-, Kreativ- und Kinderflohmarkt
in Kötzschenbroda
vom 21. bis 23. April 2023

Schon Erich Kästner hatte erkannt „Es gibt nichts Gutes, außer: man tut es“. Zweifellos gehören die Mitglieder der Kultur- und Werbegilde Kötzschenbroda zu den tatkräftigen Machern mit hohem Improvisations- und Kreativpotenzial, die im westlichen Zentrumsbereich der Lößnitzstadt verortet sind.

Als das frisch sanierte Auszugshaus des ehemaligen Dreiseithofes Altkötzschenbroda 21 im Jahr 1993 zur öffentlichen Nutzung (heute Heimatstube) übergeben wurde, ahnte wohl niemand, dass sich der arg gebeutelte Dorfanger einmal zu einer beliebten Flaniermeile mit Kneipen, Kunst und kleinen Läden entwickeln würde.

Allerdings dauerte es dann auch noch einige Jahre, bis man begriff, dass sich Interessen am effektivsten mit einem Verein durchsetzen lassen. Die Gründung der Kultur- und Werbegilde Altkötzschenbroda erfolgte im Jahr 2001. Seitdem wurden zahlreiche, sowohl kulturell als auch touristisch, belebende Aktionen initiiert. Alljährlich organisierte die Gilde zum Saisonauftakt die Langen Kultur- und Kneipennächte sowie am 1. Juni das beliebte Kindertagsfest.

Im Jahr 2020 wurde dann die Fusion mit der Händlergemeinschaft von Radebeul-West vollzogen, was zur Umbenennung der Kultur- und Werbegilde führte, indem der lokalisierende Zusatz Altkötzschenbroda durch Kötzschenbroda ersetzt worden ist. Statt der Langen Kultur- und Kneipennächte und der bisherigen Händlerspektakel war ein gemeinsames Stadtteilfest geplant. Die Schwierigkeit bestand allerdings darin, den Ambitionen von Händlern und Gastronomen mit einer solchen Veranstaltung gleichermaßen gerecht zu werden.

Schließlich hatten die Organisatoren einen guten Kompromiss gefunden. Werbekarten, Poster, Banner und Stopper waren bereits fertiggestellt. Durch den Ausbruch der Corona-Pandemie wurde plötzlich alles zu Makulatur und besitzt nunmehr einen makabren Sammlerwert.

So, wie die Natur im Frühling immer wieder erwacht, so erfolgte auch nach der Corona-Pandemie ein Neubeginn.

Doch nicht an allem ist allein Corona schuld. Dass der Leerstand selbst in den Stadtzentren zusehends um sich greift und die inhabergeführten Einzelhandelsgeschäfte immer weniger werden, hat vielerlei Ursachen. Der Prozess vollzieht sich schleichend und still. Doch das Schwelgen in der Vergangenheit bringt keine Lösung und jeder neue Teilzeit-Stadtteil-Manager ist herzlich willkommen im Team. Statt in Trübsinn zu verfallen will die Kultur- und Werbegilde lieber motivierende Rundum-Start-Signale aussenden: Gebt nicht auf, macht mit, seid kreativ!

Meckern alleine bringt nichts. Also einfach mal lockerlassen, sich an den vielen Ideen und Aktivitäten erfreuen, sich spontan einbringen und damit sich selber und andere überraschen!

DAS PROGRAMM ist ein unkonventioneller Mix von schräg bis schrill für Alt- und Neuradebeuler, für Singles und Familien. Jeder, ob Profi oder Amateur, kann zeigen, wieviel Power und Kreativität in ihm steckt und seine Fotos, Bilder, Sprüche, Karikaturen präsentieren aber auch mit einem kleinen Theaterstück, einer eigenen Kurzgeschichte oder einer musikalischen Darbietung vors Publikum treten.

Das dreitägige Fest beginnt am FREITAG gegen 18 Uhr in Altkötzschenbroda auf dem Dorfanger mit Livemusik und Einweihung der Sommerbühne. In der Heimatstube startet die AG Kötzschenbroda mit einer neuen Sonderausstellung über Kötzschenbrodaer DORFgeschichte(n). Zeitgleich ist die Stadtgalerie von 18 bis 20 Uhr geöffnet. Gezeigt werden dort Frühwerke des Malers und Grafikers Markus Retzlaff, dessen eigentliche Wirkungsstätte sich nebenan im Atelier Oberlicht befindet, wo man ihn beim Schaudrucken erleben kann. Auch einige Läden und Werkstätten haben etwas länger geöffnet. Fest steht schon jetzt, dass die Nachtschwärmer und Musikfreunde in den Kneipen auf ihre Kosten kommen werden.

Am SAMSTAG öffnen die ersten Geschäfte bereits um 9 Uhr. Ab 10 Uhr wird sich dann der Trödel-, Kreativ- und Kinderflohmarkt füllen. Die bunt bestückte Meile verbindet das Stadtzentrum in Radebeul-West mit dem Dorfanger in Altkötzschenbroda. Das Jugendblasorchester spielt auf dem Bahnhofsvorplatz und wird wohl nicht zu überhören sein. Verschiedenste Aktivitäten finden vor und in den Geschäften statt. Viele Ideen sind noch im Kopf oder bereits auf dem Weg. Was in den Wochen vorm Fest gebastelt, gemalt, fotografiert und geschrieben wurde, kann man in einem Kunstschaufenster begutachten.

Einige Termine sollte man sich allerdings schon immer vormerken. So startet um 10 Uhr im Kreuzungsbereich von Radebeul-West vorm Bettenhaus Hennl eine Kennenlerntour, angeführt durch zwei einheimische Kunst-, Kultur- und Stadterklärerinnen. Erzählt werden STADTgeschichte(n) von Häusern und ihren Bewohnern, von Handel und Wandel, von Kunst und Kultur… Zwischendurch stellen sich Händler vor und gewähren einen Blick hinter die Kulissen. Auch das Museum im Rucksack wandert mit.

Ganztägig präsentieren sich bei Doktor Akustik zwei junge Fotografinnen. In der Galerie Gisbert wird um 15 Uhr eine digitale Fotogalerie eröffnet. Vielfältige Angebote bieten auf dem weitläufigen Festgelände Anregung und laden zum Verweilen ein. Und wenn die Läden am Samstag schließen, geht es in den Kneipen erstmal richtig los.

Jene, die am SONNTAG voller Lust und Laune noch bei Kräften sind, können ab 10 Uhr mit Freunden und Nachbarn oder der ganzen Familie zum musikalischen Frühschoppen kommen und dann bis in die Nachmittagsstunden über den Frühlingsbauernmarkt bummeln, dabei Schauen, Kosten und zur Freude der Händler auch etwas kaufen.

Karin (Gerhardt) Baum

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Anmeldungen für den Trödel,- Kreativ- und Kinder-
flohmarkt sind noch bis zum 20. April 2023 möglich.
Veranstalter ist die Kultur- und Werbegilde
Kötzschenbroda e.V. in Zusammenarbeit mit dem
Stadtteilmanagement Radebeul-Kötzschenbroda
Kontakt und Information:
Mandy Hähnel, Vereinsvorsitzende
0351-6563760, info@altkoetzschenbroda
Flyer sind erhältlich bei allen Mitwirkenden.
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Radebeuler Miniaturen

1623 – 2023: 400 Jahre Haus Möbius
IV
Haus und Herrschaft

Viel hat sich nicht geändert in den ganzen Jahren, sag ich in das beredte Schweigen hinein und stelle mein Glas ab. Ein Haus in der Lößnitz muß sich eins leisten können und wollen.

Während Ulrike hörbar seufzt, ziehe ich ein dicht beschriebenes und schon etwas gelbes Papier aus einem Stapel Unterlagen. Hier, sag ich, und schlage mit dem Handrücken auf die Buchstaben, erinnere dich, das hat uns Frau Schließer damals verehrt. (Die sehr verdienstvolle Radebeuer Stadt-Archivarin Lieselotte Schließer hat damals noch in der Lößnitzgrundstraße residiert und sehr lebhaft Anteil genommen, als wir die Wohnung hier im Haus bezogen.)

Foto: T. Gerlach

Bis weit ins 18. Jahrhundert hinein, lese ich nun, sind Häuser und Weinberge im Besitz der Strauch’schen Erben geblieben – offenbar war nähere Kenntnis der Heiligen Schrift manchmal auch ein einträgliches Geschäft (siehe Heft 1).

Für das Jahr 1715 ist dann Johanna Gertraude Küffner als Besitzerin überliefert. Sie war ebenfalls eine geborene Strauch und hatte noch vor der Jahrhundertwende den Dresdner Ratsbaumeister Johann Siegmund Küffner geehelicht, der unter anderem am Bau der von George Bähr geplanten Loschwitzer Kirche beteiligt war. Küffner hatte den Besitz um 1700 aus einer anderen Linie der Familie Strauch erworben und mit seinem Tod 1709 seiner Witwe hinterlassen.

Möglicherweise ist mit dem Jahr 1715 ein größerer Erweiterungsbau verbunden. Jedenfalls hat sich ein Johann Christian Große, Maurermeister in Kötzschenbroda unterm Dach verewigt. Um 1990 war die Signatur noch deutlich zu erkennen. Das damals entstandene Foto zeigt noch eine ferne Erinnerung daran. Leider ist sie aber, wie ich jetzt erst entsetzt feststellte, 1994 anstehenden Dacharbeiten offenbar unbemerkt zum Opfer gefallen.

Es spricht viel dafür, daß die Witwe Küffner sich mit diesem Anbau – wie es damals üblich war, denk nur an Wackerbarths Ruhe – einen Alterssitz geschaffen hat. Ob sie wirklich dauerhaft hier wohnte, ist nicht überliefert.

Schade, sagt Ulrike, ich stelle mir grade vor, wie das war, so als Witwe in den Weinbergen zu leben …

Ohne weiter auf diese Bemerkung einzugehen, fahre ich fort: Die Küffnerin stirbt 1729, sie hinterläßt das Gut ihrem Vetter, dem Senator Carl August Strauch. Der Wert des Ganzen wird dabei auf rund 770 Thaler geschätzt, der Ratsbaumeister hatte es noch für 500 Gulden (1 Gulden entsprach etwa 2/3 Thaler) erworben. Diese „Wertsteigerung“ hing ganz sicher nicht ausschließlich mit dem Neubau zusammen. Die Teuerung dürfte auch den nicht enden wollenden Kriegen geschuldet gewesen sein – es ist eben immer das Gleiche…

Im Jahr 1762 wird der Name Strauch zum letzten Mal genannt.

Ich halte inne, blicke auf und schenke uns nach.

Thomas Gerlach

Eine Glosse

Qualität…?

„Qualität liegt im Auge des Beschauers?“ Oder so ähnlich…? Oder war es die Schönheit…? Kann auch sein! Aber ist eigentlich nicht so wichtig. Letztendlich bestimmt jeder selbst, was er unter Qualität, Schönheit und solcherlei Dingen verstehen will. Gott sei‘s gelobt und ge…! Wo kämen wir denn da hin, wenn mir einer sagen würde, was ich unter Dies oder Das zu verstehen hätte! Dem würde ich aber…!

Bekanntermaßen gehen hier die Meinungen extrem auseinander. Früher, ja früher, zu Kaisers Zeiten oder in der Diktatur, war das natürlich eine ganz andere Sache. Da gab es ein strenges Regime und gedacht wurde nur in offiziellen Memoranden. Die sollten einen erinnern ordentlich zu arbeiten, ordentlich zu leben und nie unordentlich aus der Reihe zu tanzen. Da waren die Regeln ein für allemal festgelegt und hatten für alle Zeit zu gelten. So war das im Kaiserreich Deutscher Nation, im Tausendjährigen Reich und im Reich „Immer scheine die Sonne“.

Da kann ich mich noch gut an die Normer und Gütekontrolleure erinnern, wie die immer um meine Bohrmaschine herumgeschlichen sind. Oh Gott, was man mit denen für Ärger hatte! Aber freilich ist das alles Schnee von gestern.

Heute kann sich jeder alles selber denken und auch machen wie er‘s will. Bist du allerdings in der dummen Lage ein lumpiger Arbeitnehmer zu sein, kann es vorkommen, dass du eines schönen Tages einfach vor die Tür gesetzt wirst. Pech gehabt! Früher, da wäre dann der Meister gekommen oder der BGeller und hätten mit dir ellenlange Gespräche geführt und die Konfliktkommission hätte tröstende Worte gesäuselt. Das selbständige Denken fällt ja noch heute so manchem Bürger schwer.

Natürlich ist das so eine Sache mit der Qualität. Keiner will doch mehr, dass sich beim Suppeauslöffeln der Alu-Löffel verbiegt. Also aufpassen beim „Pferdekauf“ – eben selber denken! Zugegeben so einfach ist das nun auch wieder nicht. Der Handel mit Waren ist schon seit Alters her ein windiges Geschäft. Da will ich jetzt nicht auf den Schacher mit Wundersteinen und Glücksamuletts verweisen. Auch an der sogenannten Wertpapierbörse soll es ja so manche faulen Papiere geben. Aber wie gesagt, für Träumer ist in der heutigen Zeit kein Platz, weder im harten Alltagsgeschäft noch in der Wirtschaft. Minderwertige Ware muss man ja nicht kaufen. Es gibt schließlich genug Anderes. Und langt das Geld nicht, muss man sich halt anstrengen…

Die Träumer sollten sich lieber in den weichen Sektoren des gesellschaftlichen Lebens austoben. Und wie ich erst unlängst gesehen habe, nutzen sie ihre Chance reichlich. Aber bedenken sollten sie, dass das Grundprinzip „Jeden Seins“, auch auf dieser „Spielwiese“ gilt. Erst neulich hatte mir so ein Träumer erklärt, dass man eine Theatervorstellung nicht beurteilen sollte, da es hier ja um Geschmacksfragen gehe. Nun verstehe ich vom Theater eigentlich nichts. Wann habe ich denn das letzte Mal ein Stück auf der Bühne gesehen…? Kann mich nicht erinnern. Aber das sich hier was verschoben haben muss, sollte wohl auch dem Dümmsten aufgefallen sein, wenn die Zuschauer immer weniger werden. Vielleicht hat das doch was mit Qualität zu tun? Und um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Mit einem Schauspieler ist noch kein Theater zu machen.

Und überhaupt, was man heutzutage so alles als Kunst vorgesetzt bekommt! Ehrlich gesagt, da komme ich nicht mehr ganz mit. Da meine ich nicht mal die Bilder, bei denen man nicht weiß, wie rum man sie aufhängen soll. Nicht, dass ich was gegen Volkskunst hätte, aber wie sagte schon meine Mutter: „Schuster bleib bei deinem Leisten.“. Immer schön bescheiden bleiben. Ich muss nicht bei Allem und Jedem mitreden können. Das ist wie bei der Erziehung, da sollte auch nicht jeder X-Beliebige seinen Senf dazugeben. Denn man weiß ja, am Ende sind es die Lehrerkinder, die am meisten verzogen sind.

Nun ja, das Feld ist weit. Und Sprüche gibt’s mehr als genug… Einer meiner ehemaligen Kollegen erklärte mir einst im felsenfesten Brustton seiner Überzeugung: „Kunst ist nur das, was ich verstehe!“. Ein allzu wahrer Spruch, meint

Euer Motzi

Ein Amerikaner in Radebeul

Wieder so eine schräge Idee von Herrn Lohse? Hat er jetzt vielleicht vor, den Donald T. einzuladen? Nein, das ist nicht zu befürchten und kaum zu glauben, dass wir Freunde werden könnten. Aber ein klein wenig hat mein heutiges Thema doch mit dem amerikanischen Kontinent und dem, was da wächst zu tun.

Es geht um Weinbau und die Amerikaner-Rebe. Sie hat u.a. der Lößnitz nach der Reblauskatastrophe im letzten Viertel des 19. Jh. später wieder zu einem Neuanfang im Weinbau verholfen. Die Amerikaner-Rebe (in Sachsen Aramon x Vitis Riparia) erwies sich als reblausresistent, auf diese konnten die hier üblichen Sorten – zB. Müller-Thurgau, Weißburgunder und Riesling – aufgepfropft werden. Das klingt hier so einfach, aber dafür war ein längerer Prozeß von Versuchsreihen erforderlich, an dem Carl Pfeiffer schon 10 Jahre in Oppenheim mitgewirkt hatte, ehe er 1912 über Meißen nach Radebeul kam. Während der Zeit lagen in Radebeul die Weinberge brach, bzw. wurden mit Obstbäumen oder auch Erdbeeren bepflanzt. Durch den 1. Weltkrieg wurde das Wiederaufreben nochmals verzögert, ehe dann in den zwanziger und dreißiger Jahren des 20. Jh. die ersten Weinberge der Lößnitz neu bestockt und etappenweise bis zum heutigen Stand fortgeführt.

Und wo ist mir nun so ein Amerikaner in Radebeul begegnet? Er begleitet uns seit 1997, seitdem wir in der Borstraße wohnen. Der Baumeister Franz Jörissen muß die Amerikaner-Propf-Rebe 1934 gesetzt haben, als er das Grundstück erworben und sich hier eingerichtet hatte. Der Plan war, ein hölzernes Spalier am Ostgiebel seines Hauses mit Wein beranken zu lassen. Ich war nicht dabei gewesen, aber aus Gesprächen mit Jörissen weiß ich, daß der aufgepfropfte Gutedel Ende der 30-er Jahre einen harten Frost abgekriegt hatte und deshalb eingegangen war. Da die Wurzeln des Amerikaners stark waren, trieb er nach dem Winter wieder aus, wuchs kräftig und hatte auch wieder Früchte. Nur sahen die jetzt blau aus und hatten etwa die Größe von Heidelbeeren. Sie waren sauer und bitter, also eigentlich nicht genießbar. Dieser Stock, sozusagen ein Wildling, wuchs über die Jahrzehnte unabhängig von seltenen Kältespitzen und heißen und trockenen Sommern zu einem Weinbaum mit einem Stammdurchmesser von 24cm (gemessen am Erdboden) und inzwischen den ca. 8m hohen Hausgiebel bedeckend. O.g. Holzspalier überragt „unser Amerikaner“ längst und hat mit seinen starken Ästen an drei Stellen das Lattenwerk zerstört. Der Amerikaner braucht erstaunlicherweise kaum Pflege – keine Erdarbeiten, keinen Dünger und auch keine Schädlingsbekämpfung. Ein Schnitt ist nur da erforderlich, wo er nicht wachsen soll, an der Fernsehantenne und vor den Fenstern. Alle Versuche durch verschiedene Personen und über die Jahre führten zu keinem befriedigenden Ergebnis, es wurde nie ein trinkbarer Wein! Wir ernten etwa die Hälfte der Früchte bis dahin, wo die Leiter reicht und stellen mit Zucker einen Gelee und auch leicht herben Traubensaft her. Die zu hoch hängenden Trauben überlassen wir den Staren, die im September dann zahlreich einfliegen und sich den Rest schmecken lassen. Wenn wir den Zeitpunkt der Ernte verpassen sollten, gehen die Stare als Sieger vom Platz.

Der Stareneinfall in den Amerikaner ist ein Naturereignis, nicht selten kommen 30 bis 40 Vögel auf einmal und fallen laut zwitschernd ein, aber beim Fressen herrscht dann Stille. Wenn sie durch eine Person im Garten gestört werden, wechseln sie den Sitzplatz und warten auf einer nahen Tanne oder der hohen Linde am Hoftor bis „die Luft rein“ ist. Wir akzeptieren diese Art von Arbeitsteilung, wohl wissend, daß im Herbst bald der Vogelzug beginnt und die Stare vorher noch eine Stärkung brauchen können. Bedingt durch den Klimawechsel sollen aber wohl nicht mehr alle Stare auf die weite Reise gehen. Dumm nur, wenn der Stareneinflug auf einen Tag mit großer Wäsche fällt. Vor allem Weißwäsche kann dann durch die Ausscheidungen der Vögel schon mal verdorben werden, denn die Kacker sind kräftig lilablau.

Ich weiß gerade nicht, wie viele Amerikaner es in Radebeul noch gibt. Wahrscheinlich würde ein echter Winzer diesen Wildling auch schon gerodet haben, denn er hat kaum wirtschaftlichen Nutzen. Wir jedenfalls haben uns an diese Nachbarschaft mit „unserem Amerikaner“ gewöhnt! Warum ich diese Worte in Anführungsstriche setze? Unser ist ein besitzanzeigendes Fürwort und wir besitzen als Mieter nicht, auch den Wildling nicht.

Dietrich Lohse

Wie bunt ist Coswig wirklich?

Ein Spaziergang mit Carl Sigismund Romer durch die Große Kreisstadt Coswig (1. Teil)

 

Büste Romers. Einst auf dem Gelände seiner
Gärtnerei, jetzt in den Grünanlagen vor
der Karrasburg, dem Stadtmuseum Coswigs
Foto: I. Rau

Unlängst, als ich aus dem Rathaus kam, beschäftigt mit den aktuellen Problemen um Coswig, führten mich meine Schritte an der Grünanlage vor der Karrasburg vorbei. Dort stieß ich auf die Stele mit der Büste von Carl Romer. Er winkte und stieg von der Stele. Was wird das nun, dachte ich. Darauf begann er mir zu erzählen, wer er war und was er für Coswig geleistet hat. Also machten wir uns gemeinsam auf die Suche, seine Spuren zu finden bzw wie sein Erbe in Coswig geachtet wird. Zunächst zog er mich in die Dauerausstellung des Museums Karrasburg und verwies auf die Gedanken von Petra Hamann in ihrem Buch- Coswig hat Geschichte/1/. Daraus erfuhr ich, dass Carl Romer von 1872-1949 lebte. Er war ein Gartenunternehmer der ersten Stunde und Stadtverordneter von 1902-1932 sowie erster Ehrenbürger der Stadt (1932). Er hatte seine Gärtnerei in der heutigen Romerstraße. Dort spendete er auch die noch heute die Straße säumenden prächtigen Linden. Er legte den Grundstein für die Produktion von Moorbeetkulturen, errichtete Gewächshäuser incl. eines speziellen Pflanzenüberwinterungshauses in “seiner” Straße. Die Produktion von Azaleen, Kamelien Eriken gingen seitdem auf die Reise in die kleine und große Welt und machten Coswig bekannt. Dazu erwähnte ich ihm, dass z.B. die heutigen Gartenbaubetriebe Risse und Türke an der Dresdner Straße und Rudolph an der Grenzstraße sein Erbe als Groß- bzw. Einzelhändler wirtschaftlich fortführen. Daneben hat Coswig mit seinen Ortsteilen diverse weitere kleinere Gartenbaubetriebe und Verkaufsstätten für Gemüse, Pflanzen und Blumen. Coswig sollte damit einen guten Namen als grüner Standort haben. Ob das jedoch stimmt, das wollten wir beide nun wissen und ich spazierte mit wachen Augen von Kötitz bis in den Spitzgrund und auch durch die Ortsteile Sörnewitz, Brockwitz und Neusörnewitz, immer Herrn Romer im Nacken.Ich erläuterte ihm dabei, dass der Bauhof der Stadt heute sehr bemüht ist, mit jahreszeitlich abgestimmten Bepflanzungen der Stadt ein buntes Aussehen zu geben und zu den Festen um Ostern und Weihnachten das Auge zu erfreuen, ob z.B.um den Wettinplatz, dem Kreisverkehr oder am Bahnhof. Übrigens war auf dem Vorplatz des Bahnhofes mal ein Gemüsegarten, meinte spontan Herr Romer dazu/1/. Viel Engagement investiert man heute auch in die strassenbegleitenden Bepflanzungen in der Industriestraße, der Dresdner- oder der Hauptstraße. Soweit so gut, sagte er, aber wie stehen die Bürger der Stadt heute zu ihrem grünen Erbe? Überrascht war er schon, dass die Coswiger Bürger sich in 18 Kleingartensparten organisiert haben und somit ihrer Freizeit eine sinnvolle Beschäftigung geben und ihren grünen Daumen ausleben können. Dabei berichtete ich ihm über die z.T. harten Auseinandersetzungen um den neuen Flächennutzungsplan und der Absicht, dazu ggf. Garten- in Bauland zu wandeln. Hut ab vor den Bürgern, die dazu ihre Stimme erhoben und diese Absicht, egal wem der Boden gehörte, verhinderten, stimmte er mir zu. Sein spontanes Motto: “Coswiger, gärtnert dort weiter wie bisher und sichert Coswig auch im Zentrum weiter die grüne Luft und die Bindung von CO2!” Wie kam er aber jetzt auf CO2? Naja, ich flüsterte ihm zuvor Neuigkeiten aus der Jetztzeit zu, wie z.B., dass da noch die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens auch über Coswig und das mit einem Superschnellzug durch die Bundesregierung umgesetzte Klimaschutzgesetz vor uns stehen. Ah, meinte er, ähnliches gab es zu meiner Zeit auch schon im Stadtrat. “Ich begreife”, sagte er, “nun geht auch den letzten Politikern ein Licht auf, aber wir sind in Coswig, hat man hier dieses Zeichen noch rechtzeitig verstanden?” “Ja”, rief ich ihm sehr laut zu, “2020 hat der Rat einen Beschluß zur Erarbeitung eines “Integrierten Klimaschutzkonzeptes” gefasst und mit finanzieller Förderung die Stelle eines Klimabeauftragten eingerichet”. Diesen Gedanken nahm ich ohnehin aus dem Rathaus bzw. dem Stadtrat mit, als ich zur Büste von Herrn Romer ging. Vom Umweg über den Klimabezug lenkte ich seine Schritte zunächst weiter in den Interkulturellen Garten Coswig e.V. in der Jaspisstr., wo Stadträtin Cornelia Obst die Harke schwingt. Als Geschenk an die Stadt hat sie dazu 3 Pflanzen-/Blumenbänke hinter der Mauer des neuen Festplatzes gestaltet. “Donnerwetter, man ist also auch heute bemüht, ausserhalb der Hauptwege, Farbe in die Stadt zu bringen”. Dabei staunte er dort auf der Wiese auch über die neu gepflanzten Bäume und das Schild mit den dazu gehörenden Erläuterungen. Ich verwies ihn dabei auf eine Aktion des Stadtrates, auf Initiative der Fraktionen BnC (Bündnis für ein nachhaltiges Coswig) und der damaligen CDU- Fraktion, zunächst 150 Begrüßungsbäume für ehrenvolle Bürger und Neugeboren an verschiedenen Standorten der Stadt zu pflanzen. “Kann man sich mit eigenem Geld auch an der Finanzierung beteiligen?” wollte er wissen. “Natürlich, das ist sogar gewollt und kostet 50 €/Baum ohne Namensschild”. Leider war es ihm aber nicht vergönnt, Euros bei sich zu haben, sonst hätte er sich neben seinen Linden auf der Romerstraße auch hier beteiligt.

Carl Sigismund Romer

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1 Coswig hat Geschichte von Petra Hamann
Wissenswertes und Amüsantes aus dem Stadtarchiv
NOTschriften Verlag

Herausgegeben von der Großen Kreisstadt Coswig
1. Auflage 2012 ISBN 978-3-940200-82-2

„Lößi“ lebt (Fortsetzung)

Vermutlich hatte man dort einst ein tiefes, großes Loch gegraben, um das zu gewinnen, was die Eiszeit als Endmoräne zurückgelassen, den Kies, dieses fein zerriebene, glatt geschliffene Gestein in allen Korngrößen, vom winzigen Sandkörnchen bis zum Kieselstein, mitunter bis zum Findling.

Im Loch hatten sich Niederschläge gesammelt und die nahe, vorbeifließende Elbe Grundwasser hineingedrückt.

So war ein Gewässerchen entstanden: ein Tümpel, ein Teich, ein kleiner See, je nach Auge des Betrachters.

Anliegende Gärtner und Landwirte nutzten nun die schöne Naturgabe zur Befeuchtung ihrer Böden, eine nimmermüde Elbe sorgte für Wassernachschub, das klarste, weil durch den Kies gereinigte Grundwasser, das sich denken lässt.

Irgendwann entstand das Lößnitz- Schwimmbad, ein Naturbad.

Nachts im Flammengeflacker aus einer hoch lodernden Feuerschale erfuhr ich das alles direkt neben dem „Lößi“ auf der Terrasse dieser gemütlichen Gaststätte mit dem putzigen Namen „Kuchenbude“. Eigentlich waren wir doch Fremdlinge, aber keinen störte das, wir wurden gleich ans Feuer, ins Gespräch gezogen durch eine Gestalt, die ich für den Musiker Helge Schneider hielt, klein, schlank, langhaarig. Brille, saloppe Kleidung. Allerdings die ersten Wörter in so einem sächsischen Singsang :“Na dann wärmt euch nur erstmal schön auf und dann sacht irr mier, was irr dringen wollt.“
Das Holz in der Schale knackte laut und stieß einen ganzen Schwall glühender Funken in den blanken Sternenhimmel.

„Sind Sie vielleicht mit Helge Schneider verwandt?“ fragten wir . “Nu ja, das iss mei Urgroßvader!“

Meine wunderbare Frau und ich, ihr Fitzknödel von Mann, wir lieben diese Art sächsischer Selbstironie. Hier am Feuer wärmte dieser fröhliche, unaufgeregte Ton…

So waren wir miteinander bekannt geworden und wir verliebten uns in diesen ein bisschen heruntergekommenen Ort. Irgendwie war er uns ins Gemüt gekrochen und so entstand schrittweise die Idee zu seiner Veredelung zum Nutzen einer großen Öffentlichkeit, der Radebeuler und darüber hinaus einiger weniger besonders Bedürftiger.

Bei den besonders Bedürftigen hatten wir an Eltern gedacht, mit Kindern, denen Einzelfallhilfe zusteht. Sie sollten hier Urlaub machen können. Ihre Kinder von Zeit zu Zeit fachkundig betreut werden, so dass sie auch mal Erholung fänden.

Die Unterbringung in Wohncontainern. Vielleicht zwei Stück, behindertengerecht. Ihre Kulinarische Versorgung durch die Gaststätte,die dafür neuen Schliff erhalten müsste im Selbsthilfeverfahren des gegenwärtigen Wirts. Das wäre der „selbsternannte Helge-Schneider -Urenkel“, der gegenwärtige „ Leibspeiserei“- Inhaber.

Und die Hauptsache : Die Renaturierung des Elbegrundwasserseeleins als mögliches Masterprojekt der Fachrichtung Umwelt an der TU Dresden, um ein gut funktionierendes Schwimmbad, ohne Blaualgenbefall zu bekommen.

Natürlich sind ideenreiche Gespräche am Feuer, bei einem Glas Schieler wunderbare Augenblicke, Träume in eine rosarote Zukunft. Aber da hämmert mir so ein Zitat im Gedächtnis, auch wenn es von Leuten gebraucht wurde mit denen ich lieber nichts zu tun haben möchte. Es lautet sinngemäß, dass die Idee sich in die Wirklichkeit umsetzen lässt, wenn sie von vielen Menschen getragen wird.

Also liebe Leser der „Vorschau & Rückblick“ kann euch ( Sie ) unsere Absicht ein bisschen anregen, vielleicht sich mit Ideen einzubringen, hier mitzumachen?

Die Redaktion nimmt hinfort alle zugesandten Ideen zur Kenntnis und wird regelmäßig auch solche veröffentlichen.

Erste Gespräche gab es bereits mit der
Abteilung Sozialwesen beim Rat der Stadt,
SB Freizeitanlagen ,
Familien Initiative e.V., Altkötzchenbroda ,
Mohrenhaus : Jugendtreff
BUND Bund, Chemnitz,
Schülervertreter der OS Radebeul Mitte
Kuturbahnhof, Rdbl.-Bibliothek,
Dem Wirt der „Kuchenbude“.
Überall stießen wie auf Interesse und Bereitschaft über das Projekt nachzudenken.
Über den Fortgang soll regelmäßig berichtet werden.

Caijm Grosser

Museum der Zukunft in Radebeul?

Aus einer Gesprächsrunde im Lügenmuseum

„Das Museum of the Future an der bekannten Schnellstraße der Stadt, der Sheikh Zayed Road, ist eine der berühmtesten Sehenswürdigkeiten von Dubai. Das von der Dubai Future Foundation gegründete Museum, das am 22. Februar 2022 eröffnet wurde, erforscht, wie die Gesellschaft sich mithilfe von Wissenschaft und Technologie in den kommenden Jahrzehnten entwickeln könnte.“

Mit diesem Text und dem Abbild einer riesigen stählernen Plastik mit arabischen Schriftzeichen inmitten einer von Hochhäusern geprägten Stadtlandschaft lockt eine Webseite die Nutzer an, sich auf ihr und natürlich besonders vor Ort in der Stadt und im Museum umzusehen. Den Aufenthalt in Dubai kann man da gleich mit buchen. Und wie selbstverständlich ist auch der Text der Seite natürlich in Deutsch verfasst.

Die Plastik entpuppt sich schließlich als das eigentliche Museum, in welchen der Besucher erfährt, wie unserer Leben in 50 Jahren aussehen könnte. In der Hauptsache geht es um Themen wie Raumfahrt, Lebensstil, Klimawandel, Umweltschutz, Gesundheit und Spiritualität. Wer dieses Museum betritt, wähnt sich, bereits in der Zukunft angekommen zu sein. Die Karte ist schon ab 35 Euro zu haben.
 
So spektakulär freilich und so teuer ging es am 1. März dieses Jahres in Radebeul nicht zu. Auch das Gebäude, in das zu der Diskussion um das „Museum der Zukunft“ eingeladen wurde, wirkt nicht gerade zukunftsweisend. Die Einladung, auch wenn sie vom Lügenmuseum ausgesprochen wurde, war aber durchaus ernst gemeint, was man schon an den zahlreichen Teilnehmern und deren Zusammensetzung erkennen konnte. Unter den Besuchern aus Radebeul und dem Umland befand sich auch eine ganze Reihe mit einschlägigen fachlichen Kenntnissen zur Thematik ausgestatteten Persönlichkeiten. Unter anderem Prof. Dr. Oliver Rump von der Berliner Hochschule für Technik und Wissenschaft, wo er in den Studiengängen Museumskunde / Museologie sowie Museumsmanagement und -kommunikation lehrt.

Auch die Redaktion von Vorschau & Rückblick war mit einer ansehnlichen Delegation vertreten.
 
Für manchen Teilnehmer der Diskussionsrunde mag freilich das Thema wie aus „heiteren Himmel“ gefallen sein. In der Museumslandschaft nicht nur der Bundesrepublik jedenfalls geht es mindestens seit 2019 in der Angelegenheit heftig zur Sache. Diese kontroverse Debatte wird nicht nur im musealen Kreisen ausgetragen, sondern in öffentlichen Streitgesprächen, wie beispielsweise am 30. Januar 2020 im Lichthof des Jüdischen Museums Berlin vor 500 Zuhörern. Ausgerechnet dort trafen mit Léontine Meijer-van Mensch, Direktorin der Staatlichen Ethnographischen Sammlungen Sachsens sowie Mitglied des ICOM Executive Boards und Markus Walz, Professor für Theoretische und Historische Museologie an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK) sowie Mitglied des Vorstandes von ICOM Deutschland, zwei Experten aufeinander, die gegensätzlicher nicht hätten sein können. Zur Erläuterung: ICOM steht für Internationaler Rat von Museen. Auf die gesamte Problematik und die Kontroversen soll hier aber nicht weiter eingegangen werden. Wer will kann sich zu dieser Thematik ausreichend im Internet informieren.
 
Anlass zu den zahlreichen Debatten bot die vom Internationalen Rat von Museen in die Diskussion gebrachte Neubestimmung der Definition des Begriffs „Museum“, die mittlerweile in abgeänderter Form Ende des Jahres 2022 beschlossen wurde. Die Notwendigkeit dafür ergebe sich, so eine weit verbreitete Auffassung, aus den Veränderungen der Gesellschaft und den neuen Formen der Kommunikation. Auf diese Situation müsse auch das Museum reagieren, wenn es eine Zukunft haben wolle. Ob nun aber der Slogan „Hauptsache Publikum!“ des Deutschen Museumsbundes hierfür der richtige Ansatz ist, möge dahingestellt bleiben, fragwürdig scheint der allemal zu sein. Haftet ihm doch die allzu bekannte „Tonnen-Ideologie“ und die Verwertbarkeit dieser Einrichtungen an. Und so spiegelte sich das dann auch, wenngleich nicht so heftig, in der regen Diskussion zu dieser Thematik im ehemaligen Serkowitzer Gasthof wider.
 
Das Museum, so Prof. Oliver Rump, solle mehr an die Menschen herangetragen werden, denn mit der ständig voranschreitenden Digitalisierung verändert sich auch deren Wahrnehmung. Sowohl die Besucher als auch die Museen müssten deshalb stärker mit einander interagieren. Und wie zur Bestätigung des gerade Gesagten unterbrach der Musiker Gabriel Jagieniak die Redner, um mit seinem Akkordeon eine musikalische Zusammenfassung der bisherigen Diskussion den Gästen zu bieten.
 
Schnell gelangten die Gespräche allerdings auf das Praktisch-Machbare, und so beschrieb die Leiterin des Dresdner Kunsthauses Raskolnikow Iduna Böhning ihre Erfahrungen bezüglich der Sicherung des Objektes, bei der auch außergewöhnliche und schmerzhafte Wege beschritten werden mussten. Reinhard Zabka, der die Diskussion recht unkonventionell führte, informierte die Gäste unter anderem über die produktive Zusammenarbeit des Lügenmuseums mit der Stadt Riesa.
 
Museen „sammeln, erhalten, erforschen, interpretieren, stellen aus und erweitern das Verständnis der Welt, mit dem Ziel zur Würde des Menschen, sozialer Gerechtigkeit, globaler Gleichheit und dem Wohlbefinden des Planeten beizutragen“, so ein Auszug aus der neuen Definition. Museum aber ist auch ein gemeinnütziger Ort, eine „der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtung im Dienste der Gesellschaft und ihrer Entwicklung, die zu Studien-, Bildungs- und Unterhaltungszwecken“ dient, meint Claudia Thom von der Stadtverwaltung Kreuzlingen. Und schaut man in das Besucherbuch des Lügenmuseums, so kann man förmlich das Wohlsein der Gäste herauslesen, die aus aller Herren Länder kommen.
 
Gewissermaßen als Quintessenz des Abends konnte deshalb der Professor Rump zusammenfassend feststellen, dass das Lügenmuseum aus fachwissenschaftlicher Sicht erhalten bleiben muss, weil es schon heute erfüllt, was die neue Definition des Internationalem Rates von Museen fordert, das interaktive Museum.                                                          

Karin und Karl Uwe Baum
 
 
 

Zauberhaft

Die 25. Ausstellung in der Galerie mit Weitblick zeigt
Besondere Figuren von Rita Goldschmidt

Der Himmel hatte es gut gemeint mit der Galeristin Doro Kuhbandner und ihren Gästen zur Eröffnung der Ausstellung mit Arbeiten der Radeburger Künstlerin Rita Goldschmidt am 19. Februar.

Foto: R. Goldschmidt

Der Hof vor dem schmucklosen Nebengebäude in der Oberen Bergstraße war trocken, hin und wieder zeigte sich eine blasse Sonne und die Temperaturen waren – dem Klimawandel sei Dank – für Februar ausgesprochen mild. So konnten sich die zahlreichen Besucherinnen und Besucher Zeit nehmen und bei Gesprächen und dem einen oder anderen Glas Wein im Freien auf eine Gelegenheit warten, den „zauberhaften“ keramischen Wesen der Künstlerin persönlich entgegen zu treten.

Foto: R. Goldschmidt

Wohl in Form gebracht atmen die Figuren ihrerseits selbstbewusst und mit Schalk im Nacken den Lebensmut und -willen ihrer Schöpferin.

Foto: R. Goldschmidt

Foto: R. Goldschmidt

Die studierte Betriebswirtschaftlerin Rita Goldschmidt hat lange Jahre als Projektmanagerin und Ausstellungsgestalterin an der Staatlichen Porzellanmanufaktur Meißen engsten Kontakt zur „AG Künstlerische Entwicklung“ um Prof. Heinz Werner pflegen können. Hier hatte sie die Aufgabe, die Unikate der Meister zu beschreiben und ins rechte Licht zu rücken. So konnte sie tief in die künstlerische Welt der „Olympier“ eindringen. Noch heute sieht sie darin weitere Studienjahre: Farbenlehre, Formenkunde, Materialtechnik erlebte sie aus erster Hand. Diesen Fundus konnte sie schließlich neben ihrer eigenen Kreativität einbringen ins eigene Atelier, als eine der für unvermeidlich gehaltenen Umstrukturierungswellen auch sie ins Freie spülte. Hier nun, wo sie selbstbestimmt agieren kann, drückt sie ihre weltweit gewonnenen Reiseeindrücke, ihre vielen Freuden und ja, sicher auch so manchen Kummer in den weichen Ton. In ihrem Ofen erwachen die Figuren dann zu eigenem Leben, und sie wollen ihrerseits in die Welt hinaus. Spontan beteiligte sich die Künstlerin 2019 am ersten Karikaturenwettbewerb ihrer Heimatstadt. Ihre Betrachtungen zum Thema Hunger und deren Umsetzung brachten ihr gleich einen Sonderpreis ein. Wenn sie darin für das „Jahr 2110“ eine künstliche Intelligenz „Hunger“ als „Energiemangel im analogen Körper“ erklären lässt, offenbart sie zugleich ein gerüttelt Maß an sarkastischem Realismus.

Foto: R. Goldschmidt

Foto: R. Goldschmidt

Im Ganzen aber erweist sich Rita Goldschmidt mit ihren Arbeiten als heitere Spielerin, die das Leben und seine durchaus (noch) vorhandenen schönen Seiten zu genießen und zu nutzen versteht.

Der Galerie mit Weitblick sei im elften Jahr ihres Bestehens weiter viel Erfolg bei größtmöglicher Heiterkeit gewünscht. Rita Goldschmidt hat das Ihre dazu beigetragen.

Im Rahmen der Ausstellung findet am 16. April 17 Uhr eine Lesung statt. Thomas Gerlach liest aus dem gemeinsam mit Rita Goldschmidt gestalteten Buch „Im Licht der Blauen Sonne“ Geschichten aus und über Island. Herzliche Einladung auch dazu.

Thomas Gerlach

Jubiläumskonzert des Lößnitzchor Radebeul e.V.

Eine Reise quer durch unser Repertoire

Der Lößnitzchor e.V. Radebeul lädt herzlich zu seinem Jubiläumskonzert anlässlich des 35jährigen Bestehens des Chores ein. Dieses findet am 15.4.2023 um 16 Uhr in der Lutherkirche in Radebeul statt. Aus unserem umfangreichen Repertoire werden unter der Leitung von Eric Weisheit Lieder verschiedenster Epochen und Stilrichtungen erklingen, teilweise instrumental begleitet. Auch unser kleiner Chor, die Gruppe „fEinklang“, wird ihr Können präsentieren. Als besonderes Highlight werden wir Teile der Messe D-Dur von Antonin Dvo?ák mit Orgel darbieten. Dabei unterstützt uns der Kammerchor des Friedrich-Wolf-Chores Dresden, die „Zwischentöne“, der unser Programm als Gast mit einigen eigenen Beiträgen bereichern wird.

Tagesfahrt am 30.4.22
Foto: W. Papke

1987 als Betriebschor der LPG Frühgemüsezentrum gegründet, erhielt der Lößnitzchor 1990 seinen heutigen Namen. Sechs Chorleiter haben sich bisher unseres Chores angenommen, und jeder brachte neue Lieder und Stilrichtungen in unser Repertoire ein. So ist dieses in den letzten 35 Jahren auf inzwischen fast 600 Lieder angewachsen. Seit 2013 ist Eric Weisheit unser Chorleiter. Unsere langjährige Chorleiterin Frau Lore Weise steht uns weiterhin treu zur Seite.

Im letzten Jahr konnten wir unser Jubiläum aufgrund von Corona leider nicht gebührend begehen. Es fand eine gemeinsame Tagesfahrt statt, aber das war vielen nicht genug. Der Wunsch nach einem Konzert zum Jubiläum war groß, weshalb wir uns entschlossen haben, dieses einfach 2023 nachzuholen. Danke an die Lutherkirche Radebeul!

Wir freuen uns auf viele interessierte Zuhörer, die uns auf der Reise quer durch unser Repertoire begleiten.

Laura Hackeschmidt
Lößnitzchor e.V. Radebeul

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