30 Jahre !

Das Ziel des „vereins für denkmalpflege und neues bauen radebeul e.V.“, gegründet am 25.Februar 1993 war es, die Erhaltung des besonderen Charakters unserer Stadt zu fördern.

Waffenstillstandstafel, Radebeul
Foto: J. Bergner

Welchen Charakter? Das individuelle Gepräge unserer Umgebung, die über Jahrhunderte, Jahrzehnte, Jahre entwickelten Eigenschaften, Besonderheiten, Eigenarten unserer, durch die Elbe, die Elbaue, die Weinberghänge, die Hochflächen geprägten Stadt-Landschaft. Laut Lexikon würde man bei einem Menschen von ererbten und erworbenen Eigenschaften sprechen, die in seinem Wollen und Handeln zum Ausdruck kommen, zu einem guten oder schwierigen Charakter führen. Trifft das bei einer Stadt ebenso zu? Die „ererbten“ und „erworbenen“ Eigenschaften umgeben uns täglich, lassen uns genießen, gleichgültig sein oder auch erschaudern. Ein guter oder ein schwieriger Charakter? Auch hier gibt es die vielen berühmten Grautöne. Das Schöne ist nicht nur die Abwesenheit des Hässlichen. Das Schöne ist Geborgenheit, Stimmigkeit, Vertrautheit, Heimat, das Weiterführen von Traditionslinien, ohne diese nur zu kopieren, auch das behutsame Einfügen des Neuen. Und das wollen wir auch noch immer fördern.

„Verblüffen Sie die Pessimisten“ lautete der Slogan im Gründungsaufruf, unterzeichnet von Thomas Gerlach, Jens Baumann und dem leider viel zu früh verstorbenen Tilo Kempe. Und es kamen (und blieben) die Optimisten. Die Verblüffung ist nun auf unserer Seite, sind wirklich schon 30 Jahre vergangen?

Begonnen hat es in den 90er Jahren im Haus Lotter, unserem Domizil, mit Vorträgen zu Denkmalschutz und Denkmalförderung, Archäologie, Restaurierung. Begleitet von Exkursionen und Ausstellungen, von der Mitgestaltung des Tages des offenen Denkmals und immer auch von kulturellen Höhepunkten, ging es um Orientierung, Horizonterweiterung, Wissensaneignung, Schärfung des eigenen Blicks und des Urteilsvermögens, um Diskussionsbereitschaft und –fähigkeit und letztlich auch den kritischen Umgang mit Stadtplanung und Bau. Baustellenbesuche und Weiterbildungen aus und für den Mitgliederkreis und Gäste rundeten das Programm ab.

1995 dann die erste Vereinsspendenaktion: die Stiftung und Enthüllung einer Tafel anlässlich der 350- Jahr-Feier des Waffenstillstandes von Kötzschenbroda, bedeutsam, wie die Zeit lehrt.

Es begann die intensive Beschäftigung mit der Planung von Radebeul mit der Vorstellung und Diskussion zur Stadtentwicklungskonzeption (1996). Es wurde über die Notwendigkeiten und Möglichkeiten von Erhaltungssatzungen informiert und diskutiert, 25 Jahre bevor diese nun beschlossen ist. Die erste Ausstellung zum „Neuen Bauen in Radebeul“ wurde eröffnet, neben der permanenten Einbindung der Arbeit der Denkmalpflege vor Ort. Der Auftakt zur Reihe „Kunst im öffentlichen Raum“ war gelungen, der erste Fotowettbewerb zu „Stadtansichten“ wurde ins Leben gerufen und der erste „Parkeinsatz“ im Hohenhaus-Park startete. 1997 begann die Verleihung des Bauherrenpreises gemeinsam mit der Stadtverwaltung. Die vom Verein erneuerte Gedenktafel am Hohenhaus wurde enthüllt.

Radebeul, Heimkehrerstein
Foto: X-Weinzar

In den ersten fünf vielfältigen Jahren hatte der Verein schon umfangreiche Fähigkeiten erworben und konnte sich zunehmend in der Stadt einbringen und die Stadt profitierte durch das erlebbare Erinnern an die „ererbte“ Eigenart.

Der Bauherrenpreis wurde nun jährlich vergeben. Vorträge, Exkursionen, Wanderungen, Atelier- und Werkstattbesuche sowie Ausstellungen setzten sich fort, literarische Programme ergänzten das Vereinsleben. Die Figurengruppe „Chronos und die Trauernde“ rückte 1999 in den Blickpunkt, ebenso der Schutz der Weinberge durch eine Hangsatzung.

Das Jahr 2000 war besonders intensiv mit durchschnittlich monatlich zwei Veranstaltungen, u.a. mit der ersten Veranstaltung zum Bismarckturm, unserem späteren „Großprojekt“. Private Spenden ermöglichten unserem Verein, gemeinsam mit dem Denkmalschutzamt, eine neue sichere Aufstellung des über Jahre anderweitig gelagerten Heimkehrersteins (Dreimännerstein) am ursprünglichen Standort an der Kaditzer Straße.

Auch 2001 und 2002 ging es intensiv weiter, bis uns und andere 2002 die Flut ausbremste. Geplante Wanderungen und Vorträge fielen aus und wurden durch operative Arbeitseinsätze ersetzt.

Ab dem 10. Jahr des Bestehens war der Verein nun auch online vertreten. Zu unserem Jubiläum startete der Spendenaufruf für das Projekt „Chronos und die Trauernde“, verbunden mit Vorträgen und Veröffentlichungen. 2005 war es dann soweit, die Figurengruppe konnte mit unserer Unterstützung feierlich eingeweiht werden. Ab Frühjahr 2005 gestalteten Mitglieder unseres Vereins einen kleinen Platz um den 1989 sanierten Wettin- bzw. Weiberstein an der ehemaligen Poststraße in Serkowitz. Die Sanierung des Muschelpavillons am oberen Ende der Spitzhaustreppe wurde durch den Verein koordiniert und unterstützt.

Seit 2006 wurde der Tag des offenen Denkmals durch den Tag der offenen Aussicht ergänzt und vom Verein mitbestritten. Bei der Anerkennung der Bauherren ist nach zehn Jahren der 50. Preis erreicht. Der Fontainenplatz in der Dr. Schmincke- Allee wird 2007 Gegenstand eines Vortrages und der Planung durch den Verein. Gleichzeitig, anlässlich des 100 jährigen Jubiläums der Einweihung des Bismarckturms, weitete ein Vortrag über Bismarcktürme unseren Blick. Ganz konkret wurde für sechs Wochen eine mobile Stahltreppe im Inneren des Turms aufgebaut, um eine Nutzung als Aussichtsturm zu testen.

Das 15. Jahr im Vereinsleben begann mit der Anbringung der Gedenktafel für Richard Steche. Eine Baustellenführung auf der Niederwarthaer Brücke rückte die Weite des Elbtales und den Zusammenklang der Elbtalgemeinden in den Blick. Das Projekt Fontainenplatz nahm Gestalt an, das Brunnenbecken wurde freigelegt, die Fontaine aktiviert, am 30. Mai die Informationstafel installiert und am 16. November der mit Vereinsunterstützung fertiggestellte Schmuckplatz durch den Oberbürgermeister eingeweiht. Die 2009 komplettierte Bepflanzung nach historischem Vorbild mit Eibenkegeln, Berberitzen-Hecken und Rosen, war einem vom Verein organisierten „Pflanzeinsatz“ zu verdanken.

Radebeul, Fontainenplatz 5
Foto: X-Weinzar

Das Pro und Kontra von Gestaltungsregeln wurde 2010 diskutiert. Als Beitrag unseres Vereines zum 75-jährigen Stadtjubiläum konnte der Grabstein von Graf von Wackerbarth aufgestellt werden. Der Tag des offenen Gartens wurde ins Leben gerufen unter reger Teilnahme der Bewohner der mittleren Eduard-Bilz-Straße. Zum Bilzplatz wurde eine Bachelorarbeit betreut als Auftakt einer bürgerschaftlichen Planung. Der Platanenplatz wurde zum Pflanztag aufgewertet.

Der Vortrag „Radebeuler Häuser und ihre Bewohner“ und Besuch der Villa Sommer im Jahr 2011 war Auftakt der gleichnamigen Veranstaltungsreihe. Seit 2011 wirken wir beim Moritz-Ziller-Preis für Stadtgestaltung mit, dafür wurde der Bauherrenpreis nun nicht mehr jährlich ausgelobt.

2012 stand der Bismarckturm im Fokus, im März mit der Eröffnung Ausstellung Bismarckturmideen, im April mit der Präsentation der ersten Ideen, im November mit der Vorstellung des Zwischenstandes „Bismarck“. Gleichzeitig erfolgte die Aufstellung der zwei Schautafeln zur Villenkolonie Altfriedstein. Der Schlussstein des Weinbergtors zur Lage „Goldener Wagen“ und die Toranlage wurde von Schloss Wackerbarth saniert. Unser Beitrag war die anschließende Vergoldung des Schlusssteins.

Das 20. Vereinjubiläumsjahr war wieder ein sehr intensives, es startete im März mit unserer Festveranstaltung und es folgten neben vielen Fachvorträgen nun schon etablierte Veranstaltungsreihen (Pflanztag, Gartentag, Tag der offenen Aussicht, Tag des offenen Denkmals, Radebeuler Häuser). Am Pflanztag im Frühjahr unterstützte der Verein die Verschönerungsaktionen der kleinen Fußgängerinsel gegenüber der Ziegeninsel von Kötzschenbroda. Hervorzuheben ist das, über das Jahr laufende, Schülerprojekt „Putzschnitte“, dessen Ergebnisse im Oktober vorgestellt wurden. Am 29.5.2013 erhielt unser Verein eine einstimmige Genehmigung durch den Stadtrat, den Bismarckturm für seine neuen Ideen nutzen zu dürfen. Daraufhin startete unsere große Spendenaktion.

Am 01.04. 2014 bot der Vortrag „Bismarck und die deutsche Kultur“ im Rahmen eines Spendenessens die Gelegenheit um Unterstützung für unser Treppenbauvorhaben zu werben. Der „stürmische“ erste Spatenstich erfolgte am 1. April 2015, verbunden mit der Festveranstaltung anlässlich des 200. Geburtstages Bismarcks. Acht Wochen später erreichte das Spendenaufkommen bereits 100.000 Euro. Ein trauriger Einschnitt in jenem Jahr: Tilo Kempe, einer unserer Mitbegründer, verstarb im Herbst. Seine klaren Worte fehlen uns noch immer. Von unserem geliebten, stilvollen Domizil im Winzerhaus „Haus Lotter“ mussten wir uns verabschieden und zogen in unseren neuen, ebenso kulturvollen Vereinssitz im „Haus Helmich“.

Das Jahr 2016 begann mit Sanierungsgebieten und städtischen Bauaktivitäten sowie den Planungen zu den Hochwasserschutzmaßnahmen in Radebeul. Unser Bismarckturmprojekt wurde nun neben der planerischen Tätigkeit jährlich mit einem Bismarck-Herings-Essen aktiviert. Der 1. April 2017: die Spendenzusagen erreichen 247.000 €. Am 16.Juni 2017 weihten wir Brunnen, Skulptur und Freiflächen am Bilzplatz ein, ein Vorhaben, das Stadtplanung, Bewohner und Verein förderten und gemeinsam realisierten.

Laut Kalkulation waren für den Bismarckturm- Gesamtprojekt inkl. Aussichtsplattform ca. 280.000 € erforderlich. Es fehlten noch ca. 20.000 €. Erneute Spendenaufrufe zur Akquirierung der fehlenden Gelder waren erfolgreich. Im August 2017 erreicht der Spendenstand 268.309 €. Im Herbst war die Vergabe der Bauarbeiten abgeschlossen, im September 2018 begann das Einbringen der Treppenspirale, ein Erfolg im 25. Jahr des Vereins. Der Spendenstandanzeiger hatte die Summe von 295.000,- € erreicht. Am Sonntag, den 8.September 2019 wurde die Treppenspirale und Aussichtsplattform im Bismarckturm eingeweiht. Geschafft! Der Turm hat mehr als 100 Jahre nach seinem Bau, nun eine Treppe und eine Plattform, von der die Radebeuler und ihre Gäste sich im Rundumblick, Weitblick und Überblick üben können. Wieder ein großer Schritt zum „guten Charakter“ unserer Stadt.

2020 sollten die Erhaltungssatzungen Ober- und Nieder-Lößnitz eine Rolle spielen und vieles mehr, bedingt durch Corona-Pandemie mussten zahlreiche Veranstaltungen abgesagt werden, nur unsere 2018 begonnenen Bauherrenpreis-Wanderungen fanden jährlich statt. Und wir konnten unseren Beitrag zur Aufstellung des Wendesteins vor den Landesbühnen leisten.

Im „beruhigten“ Jahr 2021 verlegten wir unseren Vereinssitz in die Villa Walter. 2022 konnten wir aufatmen. Seitdem steht die Untere Denkmalschutzbehörde vor Ort im Familienzentrum in Altkötzschenbroda gemeinsam mit Vereinsmitgliedern zur Beratung Radebeuler Bürger zur Verfügung. Und mit einem Arbeitseinsatz im Pavillon Mohrenhaus begann inhaltlich unser neues Spendenprojekt.

Nicht alles kann hier berücksichtigt werden. All die vielen engagierten Mitglieder und Unterstützer aufzuzählen, sprengt den Rahmen des Beitrages. Über Vieles kann und muss mehr berichtet werden, z.B. die Spielgruppe Hohenhaus, die aktive Mitarbeit/ Auseinandersetzung mit dem ersten Flächennutzungsplan 2006, die umfangreichen Stellungnahmen seit 2007, die wir als Mitglied im „Landesverein Sächsischer Heimatschutz e. V.“ verfassten, der als TöB (Träger öffentlicher Belange) gilt. Die vergriffenen Veröffentlichungen der Beiträge zur Stadtkultur (Loseblattsammlung) von 2001 bis 2011 sind zu erwähnen, ebenso das Bauherren-Doppel als Merk- und Ratespiel über 10 Jahre Bauherrenpreis Radebeul. Unvergesslich sind die zahlreichen Exkursionen und auch die jährlichen Weihnachtsfeiern im Haus Lotter, Haus Sorgenfrei, in Schwarzes Tonne, im Haus Lorenz, in der Hoflößnitz, in der Grünen Linde, immer wieder in der Diakonie und in der Familieninitiative. Auch diese Aufzählung zeigt unsere Vernetzungen im Stadtgefüge.

Über 100 Bauherrenpreise wurden inzwischen vergeben, 2025 steht das nächste Jubiläum, die 20. Bauherrenpreisverleihung an. Die Berufung in das Gestaltungsforum der Stadt Radebeul seit 2022 und unsere „30 Jahre Festveranstaltung“ am 26.03.2023 hat das Interesse an und die Wertschätzung unserer Arbeit bestätigt. Und oft sind es neben den großen gerade die vielen kleinen Aktivitäten, die den Kitt einer Stadtgemeinschaft ausmachen.

Unsere neue frische Website lädt ein: Erkunden Sie unseren Verein, verblüffen Sie die Pessimisten, treten Sie ein und fördern auch Sie die Erhaltung des tatsächlich besonderen Charakters unserer Stadt Radebeul.

Ganz konkret bietet auch unser Spendenaufruf zur Wiederherstellung des Pavillons am Mohrenhaus dazu Gelegenheit. Der Verein will das Bemühen der Stadtverwaltung, den Pavillon in seiner alten Pracht wieder herzustellen, nach Kräften unterstützen. Dafür werben wir Spendenmittel ein. Näheres erfahren Sie auf unserer Website www.denkmalneuanradebeul.de und in der kommenden Ausgabe.

Dr. Grit Heinrich, erste Stellvertreterin des vereins für denkmalpflege und neues bauen radebeul e.V

Editorial

Frühlingserwachen in Radebeul!

Stellen Sie sich vor, es ist Frühling und alle machen wieder mit.

Stellen Sie sich vor, die Menschen können sich begegnen ohne Masken, Tests und jeglicher Beschränkungen.

Undenkbar für ganze drei Jahre. Und nun ist das eigentlich Normale wieder möglich, was fast unmöglich, ja utopisch schien. So wandeln sich die Zeiten. Doch Vorsicht, wir wurden wiederholt belehrt, wie fragil das Selbstverständlichste ist.

Und schon sind wir bei der nächsten Frage: Was ist so selbstverständlich in diesen Tagen? Das ist an dieser Stelle nicht zu diskutieren.

Immerhin, Kultur, in all seinen Facetten, bleibt immer eine gute Antwort gegen den Wahnsinn der weltlichen Realität.

Und Kultur befindet sich endlich wieder im Aufwind, hier in Radebeul und im Umland!

Als Redakteur war es eine Freude all die kreativen Ideen und Projekte hier zusammenzuführen zu dürfen. Stöbern Sie und nutzen Sie die zahlreichen dargebotenen Angebote!

Ein besonderes Ereignis in diesem Monat ist das 30-jährige Bestehen des „verein für denkmalpflege und neues bauen e.V.“, das in diesem Heft in der Überschau über die letzten Jahrzehnte mit einem zweiteiligen Beitrag aufwartet. Der Verein wurde in all den Jahren mit zahlreichen Beiträgen intensiv von uns begleitet. Auch für die folgenden Hefte sind themenspezifische Beiträge angekündigt. Darauf freuen wir uns.

Liebe Leserinnen und Leser, leben Sie den kulturellen Reichtum der uns – noch – umgibt!

Wie kürzlich den Gazetten zu entnehmen, steht das traditionsreiche Elbhangfest in Dresden kurz vor dem Aus, da bisher zu wenige Karten verkauft wurden! Dies sollte uns eine Warnung sein!

Also Frühling, und alle machen mit!

Sascha Graedtke

Zum Titelbild V&R März 2023

Meißner Straße 79 „Vier Jahreszeiten“

Dieser Name für ein gutbürgerliches Restaurant mit Hotelbetrieb hatte in Radebeul Ost mal einen guten Klang. Bei schönem Wetter saß man auch gern im Garten unter Kastanien. Den Saal hatte ich nie im eigentlichen Sinne erlebt, nur geschlossen oder als Interimsverkauf für Schuhe, glaube ich. Das Errichtungsdatum ist hier durch Erweiterung schwer auf den Punkt zu bringen: 1877 bis 1889. An den spärlichen Stilmerkmalen erkennt man sowohl spätklassizistische als auch gründerzeitliche. Der Gebäudekomplex stand zu keiner der beiden Straßen parallel und erzeugte so einen interessanten Freiraum zur Kreuzung hin.

Foto: D. Lohse

Der Abriss (es war kein Denkmal) erfolge 1994. Mit dem Neubau an gleicher Stelle wollte Fleischermeister Hermann Lehner expandieren, er scheiterte daran aber. Der Neubau mit Geschäften, Büros und Wohnungen korrespondiert städtebaulich mit der kürzlich eröffneten Passage gegenüber. Früher bildete das alte Gehöft von Bauer Haase das Gegenüber. An die Gaststätte erinnern nur noch ein paar alte Bäume, Linden und Kastanien.

Dietrich Lohse

6. Thematischer Filmclubabend

 

Ein Jahr Film Club Mobil liegt hinter uns. Neben den in Radebeul bereits etablierten und sehr erfolgreichen Veranstaltungsreihen „Literaturkino“ und „Traumfabrik“ wollten wir ein eigenständiges Profil entwickeln. Seitdem haben wir mit unserem flexiblen „Wanderkino“ viele bemerkenswerte und filmvernarrte Partner kennengelernt. Guten Rat und fachliche Unterstützung bekamen wir durch den Filmverband Sachsen, den Kulturverein der Stadtbibliothek, die DEFA-Stiftung, die Bundesstiftung Aufarbeitung, das Studio Klarheit und die Filmgalerie Phase IV. Selbst mit der Vorführtechnik, an der wir anfangs fast verzweifelt wären, klappte es zunehmend besser. Geschätzt wurde die gastfreundliche Atmosphäre an den wechselnden Aufführungsorten und so bildete sich nach und nach ein kleiner Stamm von Interessierten, welche mit dem Film Club Mobil auch weiterhin gern auf Wanderschaft gehen und mit anderen Menschen über Filme diskutieren möchten.

am 16. und 17. März 2023, Beginn 19.00 Uhr
in der Heimatstube Naundorf, Fabrikstraße 60, 01445 Radebeul

Schneewittchen

1961, DDR, DEFA-Märchenklassiker, P 0, 62 Minuten, Farbe, Spielfilm
Regie: Gottfried Kolditz, Drehbuch: Günter Kaltofen
Literarische Vorlage: Gebrüder Grimm „Schneewittchen“

In das diesjährige Veranstaltungsjahr starten wir mit dem Klassiker „Schneewittchen“ aus dem Jahr 1961. Dieser zählt zu den frühen Märchenfilmen der DEFA. Aus heutiger Sicht ist es erstaunlich, dass diese Studioproduktion ganz ohne aufwändige technische Raffinessen auskommt. Die junge Schauspielerin Doris Weikow (geb. 1941), welche die Figur Schneewittchen darstellte, kann man nur in wenigen Filmen erleben. Bereits ab 1965 war sie als Nachrichtensprecherin und Moderatorin beim DDR-Fernsehen tätig. Ein Wiedersehen gibt es u. a. mit bekannten, jedoch bereits verstorbenen DDR-Schauspielern wie Harry Hindemith (Jäger), Fred Delmare (Zwerg Naseweis), Arno Wyzniewski (Diener der Königin) und Steffie Spira (Alte). Regie führte Gottfried Kolditz (1922-1982), der auch bei den außerordentlich erfolgreichen DEFA-Filmen wie „Frau Holle“, „Geliebte weiße Maus“ und „Spur des Falken“ maßgeblich mitgewirkt hat. Das Drehbuch für die Märchen-Adaption „Schneewittchen“ schrieb der vielseitige Kinderbuchautor, Drehbuchautor, Dramaturg und Regisseur Günter Kaltofen (1927-1977). Als Dramaturg war er zu Beginn der 1950er Jahre übrigens auch am Stadttheater Meißen tätig. Für über 20 Film- und Fernsehproduktionen hatte er das Drehbuch geschrieben, darunter „Frau Holle“, „König Drosselbart“, „Käuzchenkuhle“, „Zwerg Nase“, „Schlafwagen Paris-München“…

Kurze Beschreibung zur Einstimmung

Aus Eifersucht und Neid will die böse Königin ihre Stieftochter Schneewittchen töten lassen. Doch der damit beauftragte Jäger bringt es nicht übers Herz. Er lässt das Mädchen am Leben. Schneewittchen irrt durch den Wald und findet hinter den sieben Bergen bei den sieben Zwergen freundliche Aufnahme. Schon bald erfährt die Königin durch ihren Spiegel davon. Sie ist außer sich vor Zorn und will Schneewittchen nun selbst töten…

Wenngleich sich die Verfilmung dicht an das Märchen der Gebrüder Grimm gehalten hat, bleibt der Königin (und den Zuschauern) so Einiges erspart, da diese nicht wie in der Originalvorlage so lange in rotglühenden Eisenpantoffeln tanzen muss, bis sie tot umfällt.

Übrigens wurde „Schneewittchen“ in den USA bereits 1916 als Stummfilm und 1937 als einer der ersten abendfüllenden Trickfilme vom Walt-Disney-Studio verfilmt, später folgten Verfilmungen u. a. auch in der Sowjetunion, der DDR, der BRD, in Japan, Frankreich, Rußland und Südkorea.

Karin Baum und Michael Heuser
Sprecher der Cineastengruppe „Film Club Mobil“ im Radebeuler Kultur e.V.

 

PROGRAMM

19.00 Uhr Vorstellung der Heimatstube Naundorf
durch deren Leiterin Cornelia Große
19.30 Uhr Dies und das rund um Schneewittchen
19.45 Uhr Filmvorführung „Schneewittchen“
21.00 Uhr lockere Gesprächsrunde bei einem
Schneewittchenmenü

Da die Platzkapazität sehr begrenzt ist,
findet die Veranstaltung an zwei Abenden statt.
Reservierungen unbedingt erbeten!

Kontakt: 0160-1038663, 0160-2357039
info@radebeuler-kultur.de

eine Veranstaltung der Cineastengruppe
des Wanderkinos „Film Club Mobil“
im Radebeuler Kultur e.V.

 

Radebeuler Miniaturen

400 Jahre Haus Möbius
III
Donnerwetter! Haus und Verstand

Tethys, Schwester und Gattin des alten Meergottes Okeanus, hat als „Geosynklinalmeer“ ihre Mittlerrolle genutzt und seit dem beginnenden Erdmittelalter mächtige Schichten bedeutender Sedimente abgelagert. Zwischenzeitliche Faltungen haben die Schichtungen in abenteuerliche Höhen geschoben; und nicht wenige Menschen glauben immer noch, dies alles sei unsretwegen geschehen. Die Annahme ist insofern nicht ganz von der Hand zu weisen, als der Boden unter unseren Füßen zu guten Teilen von der Göttergattin vorbereitet worden ist.
Mit solcherlei Gedanken spielend, halte ich mein Glas länger als zum Trinken nötig in der Luft.
Sieh mal, hier, sage ich dann. Ich greife hinter mich ins Fensterbrett und ziehe einen beigefarben schimmernden Stein hervor, ein knappes halbes Pfund schwer, länglich mit angedeuteter geschliffener Schneide und überhaupt im Ganzen künstlich in Form gebracht.
Sieht aus wien Steinbeil, sagt Ulrike mäßig interessiert.
Ja, sag ich, ist aber keins, ist eine Fälschung.
Wie jetzt? Ulrike schaut ungläubig.
Es war einmal …, beginne ich, da waren die Menschen noch sehr ungebildet. Ich weiß, die Zeit ist noch nicht vorbei, aber als der selige Aegidius Strauch das Haus baute, wars fast noch schlimmer. Damals jedenfalls lagen auf den fruchtbaren Lößäckern viele Steinbeile umher, die noch aus der Zeit stammten, als die ersten Siedler vom Goldenen Halbmond her genau diese Böden suchten. Unsere unmittelbaren Vorfahren jedenfalls wußten mit den Dingern nicht viel anzufangen, bis im späten Mittelalter findige Händler darauf kamen, die steinzeitlichen Artefakte zu Donnerkeilen zu erklären und als Blitzschutz zu verkaufen. Die ängstlichen Hausbesitzer, ohnehin schon vom Krieg verunsichert, haben sie dann unter der Schwelle vergraben oder im Dachgebälk aufgehängt. Und wenn sie keine fanden, nun dann haben die fliegenden Händler selber welche gemacht. Und das hier, sage ich, und wiege den Stein in der Hand, ist genau so ein Exemplar. Der Stein, es ist ein Pläner aus dem Plauenschen Grund – ein später Gruß der Tethys – ist seit tausend Jahren als Baumaterial beliebt, aber für ein Werkzeug viel zu weich.
Aber – das ist ja Betrug, stöhnt Ulrike.
Doppelter Betrug sogar, sage ich, hat aber funktioniert. „Alternative Fakten“ haben zu allen Zeiten gezogen, und derartige Scharlatane rennen uns ja immer noch die Türen ein. Der sogenannte „gesunde
Menschenverstand“ ist bis heute dünn gesät auf der Welt, aber wenn einer damit käme, wollte ihn keiner haben…
Der falsche Donnerkeil dürfte damals jedenfalls schon das Pressenhaus „geschützt“ haben – ich fand ihn ohne Zusammenhang mit der derzeitigen Bebauung beim Ausschachten des Fundamentes für unsern Schornstein. Die Angst vor Gewittern war bei den wenigen Häusern damals natürlich viel größer – heute hätte so ein Blitz deutlich mehr Auswahl …
Und woher weißt du das mit dem Pläner?
Unser Nachbar von Gegenüber, der Herr Lange, ist Geologie-Professor und kennt sich da aus. Er steht sozusagen mit Tethys auf du und du. Ich hab ihm den Stein mal mitgegeben.
Du hast das Ding aus der Hand gegeben?
Na klar, wie soll ers denn sonst bestimmen? Er hatte es nur zwei Tage, außerdem war Januar, da ist die Gefahr von Blitzschlägen naturgemäß eher gering – ich bin also kein Risiko eingegangen …
Jetzt ist es Ulrike, die zum Weinglas greift …

Thomas Gerlach

Auch eine Glosse

Erziehung…?

Lange habe ich gegrübelt, wo dieses schreckliche Wort herkommt und wie lange sich die Menschen schon damit gegenseitig tyrannisieren. Das Wort beginnt ja mit den drei Buchstaben E R Z, und blitzartig schoss mir dann dieser vermaledeite Spruch „des großen Führers“ durch den Kopf, den ich sicher jetzt nicht zitieren muss. Der Spruch stammt wohl von 1935. Erz ist hingegen seit dem 9. Jahrhundert im Althochdeutschen als aruz (Roherz) bekannt. Über den Begriff „Erziehung“ bin ich mir eher unschlüssig, seit wann der durch die Welt geistert und alle verrückt macht. Forscher meinen gar, dass es ein derartiges Wort oder eben eine anverwandte Bezeichnung rein hypothetisch schon im Urgermanischen, etwa im 1. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung, gegeben haben könnte. Gut möglich! Auch an mir wurde und wird schon immer herumerzogen. Da will ich jetzt nicht ins Detail gehen. Gefruchtet hat es vermutlich kaum, so glaube ich zumindest. Aber man kann ja nie wissen… Denn das ist ja bei dieser Sache das Perfide: Die Erziehung erfolgt meist über das Unterbewusstsein. Da nützt es wenig, wenn beständig der Ruf nach mehr Respekt laut wird. Hier fragt man sich doch wofür und vor wem? Vor einem vergeigten Sanierungsgebiet, einer verkorksten Schulplanung, einem unfähigen Beamten oder einer desolaten Pandemiebewältigung? Von den anderen Dingen ganz zu Schweigen. Meine Erfahrung ist, dass wir ein Leben lang damit beschäftigt sind, die eigenen und die Unzulänglichkeiten der Anderen auszubügeln. Und vermutlich wird das auch nicht anders – mit und ohne Respekt.

Respekt, was für ein fürchterliches Wort! Es ist sicher kein Zufall, dass es erst im 16./17. Jahrhundert aufgekommen ist und aus dem Französischen stammt. Wie war das gleich nochmal? Hatte nicht das absolutistische Frankreich unter Louis XIV. im Dreißigjährigen Krieg gerade die Vorherrschaft über Europa gewonnen? Da bekommt das Wort „Respekt“ zwangsläufig einen ganz andern Klang, mal davon abgesehen, dass dieser Begriff in verschiedenen Sprachräumen ganz unterschiedliche Gebrauchsgeschichten aufweist und verschieden ausgedeutet wird. Im englischsprachigen Raum versteht man darunter mehr die Achtung vor jedem Menschen. Hierzulande wird es eher als eine Art von soldatischer Unterwerfung verstanden, die auch noch heute zu spüren ist in der Form von Hörigkeit vor Vorgesetzten oder Amts- und Uniformträgern. Der Herr Schutzmann war in Deutschland schon immer eine Respektsperson, schien er doch das Gesetz an sich zu sein. So ist es eben nur ein kleiner Schritt vom eingeforderten Respekt zum unbedingten Gehorsam. Freilich hat sich da im Laufe der Zeit viel geändert. Vor der Polizei hat man schon lange den Respekt verloren, auch weil sie ihrerseits mitunter den Respekt vorm Volk vermissen lässt.

Nun ist der Begriff „Erziehung“, wie die Experten sagen, reichlich „unscharf“. Er hängt sicher maßgeblich von der politischen Wettererlage ab und die schwankt ja bekanntlich, wie man nicht nur an dem Spruch vom „auch so lieben Adolf“ sehen kann. So wie ich aber vermute, erziehen nicht nur die Erziehungsbeauftragten, sondern auch der Staat und die Behörden pausenlos an ihrem Volk herum. Da klingen mir Worthülsen wie „unsere sozialistischen Menschen“, von einem „Land, das sich unterhakt“ oder vom „fruchtbringenden Zusammenleben“ in den Ohren.
Ganz allgemein sieht der österreichische Erziehungswissenschaftler Wolfgang Brezinka in der Erziehung die Beeinflussung von Menschen mit dem Ziel, sie „dauerhaft zu verbessern oder ihre als wertvoll beurteilten Komponenten zu erhalten“. Hm…, Naivität oder Absicht?
Und wenn ich mich recht an meine Kindheit erinnere, hatten die allgemeinen moralischen Gardinenpredigten meiner Erziehungsberechtigten und derer, die sich dafür hielten, keinerlei Einfluss auf mich und taugten bestenfalls dazu, deren persönliches Gewissen zu beruhigen. Da hatte die Zwangsmitgliedschaft in der HJ ab 1939 schon eine ganz andere Wirkung. Aber diese Zeiten haben wir ja glücklich hinter uns gelassen. Schließlich muss in einer Demokratie auch was für die kleine Frau und den kleinen Mann herauskommen, wenn schon alles teurer geworden ist.

Ich für meinen Teil halte es lieber mit der englischen Auslegung des Wortes Respekt, meint

Euer Motzi

 

Säulen bei Bauwerken der Ziller-Familie

Säulen waren für mich früher immer mit großen Prachtbauten wie Schlösser, Theater oder Museen verbunden, die Baumeister Ziller hatten aber kaum Schlösser gebaut, allenfalls Ernst Ziller in Athen, die kennt man aber hier kaum. In Radebeul ist auch nicht jedes Zillerhaus mit Säulen versehen worden, aber doch einige. Wir finden Säulen vor allem bei den frühen Bauten, etwa von 1860 bis 1880. Hierbei kann man von einer Nachwirkung des Klassizismus von Schinkel sprechen, der, als Ernst (1837-1923), Moritz (1838-1895) und Gustav (1842-1901) Ziller auf Bau- und Hochschulen in Dresden und Wien ausgebildet wurden, noch im Lehrplan war. Der Klassizismus stand am Anfang des 19.Jh. in seiner Blüte und sein Einfluss wirkte bis etwa 1880 nach. Er wollte die üppigen Formen von Barock und Rokoko überwinden und entwickelte neue, strengere Formen aus der griechischen Antike heraus.

»Villa Falkenstein« Eduard-Bilz-Str. 44

Foto: D. Lohse

 

Nach der Definition ist eine Säule eine Stütze von zylindrischer Form, welche eine darauf ruhende Last auf den Boden überträgt. Die Säule besteht aus einem oberen Teil, dem Kapitell, dem Schaft und einer Basis. Sie hat in der Regel zwei Funktionen, eine statische und eine schmückende. Manchmal finden wir als Sonderform Halbsäulen, längs geschnittene und an die Hauswand gestellte Säulen. Die antiken Säulen werden durch drei Kapitellformen unterschieden und deren Namen – dorische, ionische und korinthische Säule – beziehen sich auf griechische Landschaften bzw. Städte. Die baugeschichtlich ältesten sind die dorischen Säulen, gefolgt von den ionischen, dann den korinthischen. Beim genaueren Betrachten der Radebeuler Zillerhäuser erkennen wir, dass hier alle drei klassischen Säulen Verwendung fanden.

Dr.-Schmincke-Allee 9

Foto: D. Lohse

Der älteste der Zillerbrüder, Ernst, war in Radebeul kaum in Erscheinung getreten, hatte aber in Griechenland und Athen Staatsbauten und viele Villen realisiert: u.a. das Nationaltheater Athen, die Villa für seinen Freund und Archäologen Heinrich Schliemann und eine Villa für O. u. A. Stathatos, natürlich auch mit Säulen. Die waren durchaus Vorbilder für seine Brüder in der Lößnitz, Moritz und Gustav Ziller, die ab 1867 als Gebr. Ziller firmierten. Sie wollten in Ober- und Niederlößnitz sowie Serkowitz Häuser für breite Schichten der Bevölkerung, Villen, Mietvillen und Landhäuser (darunter Schweizerhäuser), bauen. Säulen finden wir aber nur bei Villen und Mietvillen, also bei Häusern für die obere Klientel. Für das Studium der Säulen bieten sich Spaziergänge in der Zillerstraße, der Dr.-Schmincke-Allee und der Eduard-Bilz-Straße an. Im Vergleich mit hier zeitgleich tätigen Kollegen, u.a. F.E. Kießling, Gebr. Kießling, Gebr. Große, A. Neumann oder F.W. Eisold, erkennen wir, sie verwendeten vergleichsweise weniger Säulen als die Gebr. Ziller bei ihren Bauten.
Bei den Zillervillen fällt die Baugruppe Loggien mit Balkonen ins Auge, wo wir immer wieder Säulen in Kombination mit quadratischen Stützen erkennen – Stütze, Säule, Säule, Stütze eine Reihe bildend, z.B. „Villa Falkenstein“ Eduard-Bilz-Str. 44. Oder als andere Kombination Säulen verschiedener Form übereinander bei zweigeschossigen Loggien, unten 2 dorische Säulen, darüber 2 ionische (Dr.-Schmincke-Allee 9).

Das Grabmahl von Karl May Foto: D. Lohse

Diese Anordnung erfolgte offensichtlich bewusst: unten die ältesten Säulen, darüber jüngere Säulenarten. Bei den Säulenschäften aus Sandstein dominieren glatte Schäfte. Gelegentlich sehen wir auch kannelierte Säulen wie an der Zillerstr. 1, Meißner Str. 150 und Friedhofstr. 11. Die Basen variieren weit weniger, sie ähneln in der Form am ehesten den dorischen Kapitellen. Im Falle des Kindergartens Mohrenhaus, Moritzburger Str. 51, finden wir 4 korinthische Säulen, deren Schäfte mit Netz- und Blattwerk verziert wurden. Bei einem Objekt gibt es den Hinweis auf eine Athen-Radebeuler Zusammenarbeit. Nach einer in Athen 1901 von Ernst Ziller auf Wunsch gefertigten Zeichnung (Verkleinerung der Front der Athener Akademie) baute Paul Ziller (1846-1931), er betrieb unabhängig von der Firma Gebr. Ziller ein eigenes Baugeschäft, im Friedhof Radebeul Ost das spätere Grabmal für Karl May. Aber eigentlich gebaut wurde es für den 1901 verstorbenen Mann von Klara Plöhn, Mays späterer Ehefrau – etwas komplizierte Zusammenhänge, die bei o.g. Thema
aber nicht weiter dargelegt werden müssen. Bei diesem Grabmal dominieren in der Front (von Süden gesehen) 4 ionische kannelierte Säulen, links und rechts im gleichen Abstand, in der Mitte etwa mit doppeltem Abstand, d.h., die Säulen sind hier rhythmisch geordnet. Hier fällt auf, dass die jeweiligen Enden der Säulenreihe nicht durch eckige Stützen sondern durch Säulen mit vierseitigen ionischen Kapitellen (eine Sonderform!) gebildet wurden. Als weitere Möglichkeit des Einsatzes von Säulen können wir Eingangsbereiche betrachten, wie z.B. beim historischen Hauptgebäude des Krankenhauses, Heinrich-Zille-Str. 13 oder der alten Schule Serkowitz, Straße des Friedens 35 (die bunte Gestaltung dieser Säulen dürfte nicht im Sinne der Zillers erfolgt sein), wo auffallend ähnliche Säulen die jeweiligen Haupteingangstüren flankieren.

Alte Schule Serkowitz, Straße des Friedens 35, Foto: D. Lohse

Wir sehen an den o.g. Beispielen, die Säulen können vom Architekten in verschiedenen Kompositionen angeordnet und variiert werden. Durch die Säulen wird die Gestaltung eines Hauses bereichert, das Haus wird dadurch auch einprägsamer und schöner. Bei den Zillerschen Säulen erkennen wir, dass der Faktor „Schönheit“ im Vordergrund steht und die „Statik“, zweifellos vorhanden, aber nur zu erahnen ist, also in den Hintergrund tritt. Die hier mit Adresse aufgeführten Gebäude sind bis auf die Straße des Friedens alle Kulturdenkmale.

Dietrich Lohse

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Erbsünde

Die Welt ist schon eigenartig. Je länger sie existiert, umso komischer und verzwickter wird sie. Es entsteht der Eindruck, als wüsste sie nicht ein noch aus und schlägt nun wild um sich. Ob daher die ewig gültige Auffassung herrührt, dass zu Großmutters Zeiten immer alles besser war? Oder liegt das etwa daran, dass einfach das Gedächtnis nicht mehr so will, wie man selber? An die schönen Dinge des Lebens erinnert sich jeder natürlich auch viel lieber. Da kann man schon mal all die Backpfeifen vergessen, die es gesetzt hat, wenn wieder Bockmist gebaut wurde. Und Bockmist gibt es auf dieser schönen Welt mehr als die Menschheit verkraften kann.
Schaut man also in die Geschichtsbücher – mal beiseitegelassen, dass man da auch nur lesen kann, was gerade noch so durchgeht – fallen einem die Schuppen von den Haaren. Da kann man feststellen, dass es nur so vor Katastrophen, Hungersnöten, Gewaltverbrechen, Revolten und Kriegen wimmelte. Allein beim Letzteren führt das vergangene Jahrhundert die Schreckenliste unangefochten an, was sicher auch daran liegen mag, dass man besser zählen gelernt hatte. Will sagen, dass das mit der Kommunikation besser zu klappen schien. Man wusste also mehr von einander aber wiederrum auch nicht. Sonst hätte man sich sicher noch an den weisen Satz des Dichters Aristophanes erinnert, der schon 423 vor unserer Zeitrechnung feststellte, dass „Ein wahres Elend, der verdammte Krieg!“ sei.

Der Mensch aber ist so ungeheuerlich vergesslich. Und Athen spielte in jenen Jahren den „starken Max“ in der Ägäis und dem östlichen Mittelmeer und war gewillt seine Hegemonie auszuweiten. Die Demokratie stand da nur noch auf der Papyrusrolle. Keine zehn Jahre nach Aristophanes Erkenntnis griff eine mächtige Athener Kriegsflotten Syrakus an. Der Größenwahn endete 413 v. u. Z. für die Athener in einer Katastrophe und für viele ihrer Kämpfer in der Sklaverei. Nichtsdestotrotz griff man zwei Jahre später erneut zu den Waffen. Gegner gab es ja in dieser Stadtstaatenregion genügend. Und so schlug man die Seeschlacht von Kynossema, bei der die Athener Flotte die von Sparta besiegt haben soll. Die wiederum hatte im vorangegangenen Krieg Syrakus gegen Athen geholfen. Der Sieg der Athener aber war eher ein Papyrussieg, denn die Spartaner und ihre Verbündeten konnten sich nach Verlusten erfolgreich zurückziehen. Der positive Aspekt bestand allerdings darin, dass in Folge dieses „Sieges“ die zuvor in Athen installierten Oligarchen gestürzt wurden und die Demokratie wieder errichtet werden konnte. Ob die Führer der Russen und der Amerikaner daher einen Faible für derartige Spielchen haben, konnte bisher nicht geklärt werden. Bedauerlich aber war bei diesem Gemetzel im nassen Element der Saga nach, dass auch der attische Komödiendichter Eupolis sein Leben lassen musste. In Gegensatz zu Aristophanes soll dieser allerdings dem Krieg mehr zugeneigt gewesen sein.

Fakt aber ist, dass seit diesen Zeiten Kriege auf Kriege folgten, die Natur und die Menschen keine Ruhe und kein friedliches Leben mehr finden sollten. Die Seeschlachten aber sind mittlerweile regelrecht aus der Mode gekommen, was eigentlich zu bedauern ist, hielten sich doch dabei die Verluste an Menschenmaterial in Grenzen. Besser wäre auch, wenn alle Armeen sich in einer kilometerlangen Schlachtordnung gegenüber aufstellten – wie das noch im Siebenjährigen Krieg üblich war – und auf Kommando aufeinander losstürmen würden. Noch besser wäre allerding, das Spiel den Feldherren selbst zu überlassen und die Mannschaft könnte sich die Sache genüsslich ansehen. Das würde Ausrüstung und Menschen schonen, die für das nächste Spiel wieder zur Verfügung stünden, sobald neue Feldherrn gefunden wurden. Kriegsspiele sind leider seit der Antike nicht aus der Mode gekommen. Soll man doch den Herren ihr martialisches, mörderisches „Spiel“ lassen, dann aber eng eingezäunt in einem Reservat mit Ein- und Ausgangskontrolle. Denn wie merkte einst Heinrich Mann in seinem berühmten Essay Freundschaft. Gustav Flaubert und George Sand an: „Der Krieg ist eine Schande, unter der ein Kulturmensch erbebt…“. Aber dieses Bürgertum, von dem Mann schrieb, für die die Ästhetik, der zwar eine gewisse Lebensfremdheit anhaftete, eine unverzichtbare Maxime gewesen sein soll, ist spätestens mit dem Ersten Weltkrieg untergegangen.

Wie verkommen muss man eigentlich sein, wenn man mit wehenden Fahnen und Liedern auf den Lippen in die Barbarei zieht? Wie abgebrüht ist der Mensch, der immer perfektere Waffen entwickelt? Schon der Schauspieler Kurt Böwe stellte ernüchternd fest: „Die Menschheit ist zu allem fähig; die Erbsünde kriegen wir nicht wieder los.“

kuba

„…dann kommt Leben in die Bude!“

Foto: I. Rau

Wer dies sagt, ist Edith Maria Breuer, in der Region seit sieben Jahren, nun in Radebeul beruflich auf der Bahnhofstraße 19d in Radebeul-West ansässig. Ihre klassische Gesangsausbildung absolvierte sie 1991-1997 in Essen an der Folkwang Hochschule und in Leipzig an der Hochschule für Musik und Theater „ Felix Mendelssohn Bartholdy“.
Zusätzlich zur direkten Arbeit an der Stimme möchte E.M. Breuer Wege zeigen, den eigenen Körper durch die Gesangs- und Sprechstimme zu erleben.
Dabei möchte sie die Frage beantworten: Wie gelingt es einem Menschen, lebendig, authentisch und mit Leichtigkeit zu sprechen und zu singen (zu kommunizieren). Beantwortet ist die Frage dann, wenn alle am Ton Beteiligten, also Körper, Geist und Seele beieinander sind und der Mensch so lebendiger spürt, was er aussenden möchte.
Um es mit Theresa von Avila zu sagen:
„Sei gut zu deinem Körper, damit Deine Stimme (Seele) Lust hat, darin zu wohnen!“
Je bewusster das „System Mensch“ ist, um so leichter gelingt Kommunikation, sprachlich und gesanglich. Ihr dazu entstandenes Logo bildet dieses Prinzip ab. (s.Foto)
Das Entdecken der Wirkung der eigenen Körpersprache ist dabei ein spannendes Erlebnisfeld.
Und hier setzt Edith Maria Breuer an: Sowohl Stimmbildungsarbeit mit Chören oder einzelnen Personen als auch Kommunikationsseminare für sprechende Berufe gehören zu ihren Angeboten.
Als Sängerin liebt sie die Vielfalt: Ihre Liebe zu Oratorien-Konzerten und das Projekt, eine Crossover-Band zu gründen, sind für sie keine Gegensätze, sondern Ergänzung.
All diese Tätigkeitsfelder kann sie nun in ihrem neuen Gesangsstudio auf der Bahnhofstraße anbieten und verwirklichen.
Das erste Konzert in diesen Räumen wird ein „Duftkonzert“ sein und findet am 26. März statt. Dieses soll der Auftakt zu einer Veranstaltungsreihe im Zwei-Monats-Rhythmus sein.
Zudem plant sie eine monatlich stattfindende „Freitagsmusik“, die jeweils am ersten Freitag des Monats von 18–19 Uhr in ihren schönen Räumen stattfinden wird. Beginn ist Freitag, der 2.6.23. All jene, die Lust auf Musik und Gesang (auch dem eigenen..) haben und denen Treppen steigen möglich ist, sind dazu herzlich eingeladen. (Eintritt 10 €)

Ilona Rau

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Alle weiteren Termine und Veranstaltungen finden Sie auf ihrer Webseite unter www.impulssein.com und zukünftig auch im Kultur-Terminkalender von „Vorschau & Rückblick“.
Hauseröffnung gemeinsam mit der „Galerie Gisbert“ wird als TAG DER OFFENEN TÜR am 22.4.2023 von 17 -22 Uhr gefeiert.
Alle Neugierigen sind dazu herzlich eingeladen.

„Lößi lebt !“

Vorspiel
Viel Wasser ist inzwischen die Elbe hinab geflossen, dass ich es erleben durfte! Es sind siebzig Jahre seitdem vergangen. Aber jetzt endlich muss ich es aufleben lassen…
Eigentlich hatten wir beschlossen zu heiraten. Doris, die Radebeulerin und ich, der Harald aus Meißen.
Wir wollten eine Mischehe führen. Unsere Söhne sollten katholisch, die Mädchen jedoch im Sinne von Moshe Rabenu erzogen werden, Moses unserem Vater, wie wir den Begründer unserer Religion nennen.
Sie war das schönste und liebenswerteste Mädchen meines bisherigen Knabendaseins. Alles war fein an ihr, voller Liebreiz, nichts Grobes. Ihre Frisur bestand aus kunstvollen, hochgesteckten Zöpfchen. Das Gesicht zart wie ein Meisterpastell. Ihre Haut ein Farbspiel aus Olivgrün und Haselnussbraun. Die Gestalt anmutig, ihre Bewegungen graziös.
Und! Sie mochte mich auch. Das war für mich ein ganz besonderes Geschenk.
Denn in meiner Schule war ich doch mehr geduldet als gelitten; ein echtes ADHS-Kind. Bin ich ja heute immer noch. Bei den Lehrern war mit mir „kein Blumentopp zu gewinnen“.
Manche Klassenkameraden mochten mich meiner hohen Singstimme wegen, weil ich gern mit ihnen kleine Theaterstücke einübte und unentwegt mir Geschichten ausdachte…
Unser Überleben im Versteck, das meiner Mutter und meines, musste auch nach dem Krieg verschwiegen und wenn möglich verdrängt werden. Kein Mensch wollte davon hören.
Überstandene Pein war kein Thema öffentlichen Interesses.
Für die Auswirkungen, sprich seelischen Schäden, gab es kein Verständnis. Der allgemeine Tenor: Wir haben alle gelitten…
Ja, was macht denn dann so ein halbwüchsiger Judenbengel, wie ich? Der ist immer auf dem Sprung. In allem fühlt er sich verletzt, bedroht immer verfolgt.
Da hilft ihm auch alles Zureden nichts ,keine liebevoll gemeinte Ermahnung…
Und dann dieses wunderbare, kluge, weibliche Geschöpf, das mich so bereitwillig annahm. Das so bereitwillig unseren kleinen Ausflügen in die nahen Weinberge zustimmte.
Da hockten wir uns nieder und tauschten ohne Scham und endlos die liebsten, kindlichen Zärtlichkeiten. Ich denke heute, dass dies die ersten zaghaften und unendlich beglückenden Schritte ins „Frau und Mann werden“ waren…
Im folgenden Sommer, 1954, lag ich mit einer schweren, damals sagte man Volkskrankheit, ein halbes Jahr im Meißner Kinderkrankenhaus. Wir hatten keine Gelegenheit voneinander Abschied zu nehmen. Der Vater von Doris, ein promovierter Chemiker bei „Matthaus“ fand im „Westen“ offensichtlich bessere Arbeitsbedingungen. Es wurde unsere lebenslange Trennung. Die unvergessene Liebste hatte mir ihre Rollschuhe hinterlassen und das Fahrrad ihres Vaters, das ich bis ins fünfzigste Lebensjahr auch benutzte, dann wurde es mir entwendet.
Ihr noch einmal im Leben zu begegnen, war wohl mein Wunsch wenn ich in sehr großen Abständen im Turmhaus an der Weinbergstraße immer wieder nach ihr fragte. Einmal wären wir uns fast begegnet. Wenige Wochen vor meiner Nachfrage erfuhr ich von ihrem Besuch in der Weinbergstraße und dass sie jetzt in Heidelberg lebe. Ich fand Ihre Telefonnummer, rief sie an; ein unverhofft liebes, kurzes Gespräch, das aber keine Wiederholung fand: Hatten doch ereignisreiche Zeiten mildtätig die Patina romantischer Verklärung über unsere Erinnerungen gegossen und gar keinen Neuaufguss, von was eigentlich, zugelassen.
Das feine Sommerkind von damals, Doris, blieb mir im Sinn und die Weinberge von Radebeul: das Spitzhaus, das „Weiße Ross“, Schmalspurbahn und Lößnitzgrund, und eben das Turmhaus in der Weinbergstraße, dem gegenüber das dunkel wettergebräunte Holzhaus noch immer steht, mit seinem Garten, unserem, in der Zeit versunkenem Paradies.
Heute gedenke ich dankbar meinem Leben gegenüber, dass nach einem mehr als holprigen Start, durch die glückreiche Begegnung mit einem ganz besonderen Menschen, einem, der für mich gemacht schien, ein sonniger Zeitraum genügte, an das Leben zu glauben, ihm zu vertrauen um immer genügend Optimismus aufzubringen, die Frage zu stellen und auch zu beantworten: „Was kann ich dem Leben geben?“ Manchmal hieß das nur, meine eigene Würde mir nicht nehmen zu lassen.
Viel Wasser war die Elbe hinabgegangen, als mir dann endlich in einer Frau, meiner Frau, die mich auch heiratete, dann endlich der Mensch begegnete, den ich anhaltend lieben konnte und für den ich auch leben wollte, noch immer leben will.
Zusammen haben wir unseren sechs Kindern in die Welt hineingeholfen. Die beschenkten uns bisher mit sieben Enkeln.
Aus diesem Lebensglück speist sich nun der Wunsch, ein bisschen von allem Lebensgewinn dahin abzugeben, wo mein erfülltes Leben begann – nach Radebeul…
Da haben sich nun ein paar Leute, „mit bunter Knete im Kopf“ ein Projekt ausgedacht zur Ermunterung von Leuten, die das Leben nicht besonders verwöhnt hat.
Und wo soll das realisiert werden?
Unter dem Motto : „Lößi lebt!“ an einem besonders sonnigen Ort Deutschlands, in R A D E B E U L.

Chajim Grosser
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…mehr darüber in der nächsten V&R Ausgabe im April

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