Radebeul bei Tag – Radebeul bei Nacht

Spätsommerliche Gemeinschaftsausstellung in der Stadtgalerie

Thematische Gemeinschaftsausstellungen gehören seit jeher zum Programm der Stadtgalerie, bieten sie doch eine gute Möglichkeit für Künstler aus Radebeul und Umgebung, sich gemeinsam zu präsentieren und miteinander ins Gespräch zu kommen. Ein Blick zurück ist aufschlussreich.

Die „Kleine Galerie Radebeul“ startete vor über drei Jahrzehnten mit der Gemeinschaftsausstellung „Das alte und das neue Radebeul“ (1983). Später folgten Themen wie „35 Jahre DDR“ (1984) oder „Dresdner Künstler dem Frieden verpflichtet“ (1985). Ab 1987 wurden die Zügel dann etwas gelockert. Es gab erste Rauminstallationen und Performanceaktionen. Die „Jungen Wilden“ von damals gehören heute zur älteren Generation und sind nun auch schon um die 60 Jahre alt. Nach dem gesellschaftlichen Umbruch erfolgte die verstärkte Hinwendung zu stadtbezogenen Themen wie „Altkötzschenbroda im Abriss?“ (1990) oder „Hingerichtet ist der Blick auf die Jugend“ (1993) mit einem leicht provozierenden Unterton.

Die Wiedereröffnung der Stadtgalerie am neuen Standort in Altkötzschenbroda sollte natürlich mit einem Paukenschlag erfolgen. Die Vernissagen der Gemeinschaftsausstellungen wurden fortan mit zünftigen Künstlerfesten verbunden. Themen waren zum Beispiel „Radebeul – total global?“ (2002), „Konsuuum, Konsuuum“ (2005), „Heimat, die ich meine“ (2006), „ArbeitsWelten“ (2008), „Selbst/Fremd/WunschBILD – www radebeul.de“ (2010) oder „Radebeul (be)sitzen“ (2016).

Perfmormance zum Künstlerfest

Die diesjährige Gemeinschaftsausstellung wurde bereits mit Spannung erwartet und steht unter dem Motto „Radebeul bei Tag – Radebeul bei Nacht“. Wie immer ist die Thematik sehr vielschichtig und hintergründig angelegt und die Künstler haben dementsprechend reagiert. Die Galerieräume vom Untergeschoss übers Treppenhaus bis zum Obergeschoss sind gut gefüllt. Selbst im Hofbereich kann man an Birke und Nussbaum Kunst entdecken. Wer sich auf die Ausstellung einlassen will, braucht Zeit. Zu sehen sind Exponate von 57 Künstlern sowie ein Objekt von Schülern der Oberschule Radebeul-Mitte. Selbst Radebeuls „Schreibende Senioren“ haben sich damit beschäftigt und laden am 26. Oktober zur Lesung ein.

Was zunächst wie ein heiteres unverfängliches Sammelsurium wirkt, hat es wieder einmal ganz schön in sich. Der erste Eindruck ist trügerisch, so trügerisch wie unsere Radebeuler Hauptverkehrsachse zwischen Dresden und Coswig. So trügerisch wie die Sicht der Auswärtigen auf Radebeul, die sich in der Wahrnehmung häufig auf Wein, Karl May, Indianer, Millionäre, Wandertheater und Elbe beschränkt. Die „Kulissenschieber“ bedienen dieses Klischee und fordern süffisant „Durchdrehen erwünscht!“.

Sylvia Hensel, Gabriele Schindler »Kulissenschieber«, 2018, Installation (Detail)

Doch die Lößnitzstadt in ihrer Vielfalt, mit ihren Traditionen, Besonderheiten, mit ihrer Seele und dem feinen Sinn für Lebenskultur beginnt sich erst auf den zweiten Blick zu erschließen. Was verbirgt sich hinter den Fassaden? Welche Codes werden hier bedient? Wie ist man vernetzt? Wo brennt in der Stadt nachts noch Licht? Welche Farben hat die Stadt am Tag, welche in der Nacht?

Sehr nuanciert werden diese Fragen angeschnitten. Die Künstler zeigen Sehnsuchtsorte, den Blutmond, die Himmelsscheibe von Serkowitz, Blicke aus dem Atelier und immer wieder Gärten. Wie es zunächst scheint, schlafen die meiste Künstler von Radebeul in der Nacht tief und fest. Von Albträumen und finsteren Mächten keine Spur. Oder etwa doch?

Ach ja, die Friedensburg. Sie trohnt weithin sichtbar hoch über der Stadt. Ein Klappbild zeigt ihre helle und ihre dunkle Seite, flankiert von zwei Zitaten „Das öffentliche Wohl soll das oberste Gesetz sein“ und „Wo aber keine Gemeinschaft ist / da kann auch keine Freundschaft sein.“ Wer hat hier wann und warum versagt? Im Nachhinein ergeben diese Fragen keinen Sinn! Die Situation bleibt fatal sowohl bei Tag als auch in der Nacht.

Ralf Uhlig »Am Tage gießen – die Nacht genießen«, 2018, Installation

Versöhnlich stimmt, dass der „Himmel – offen für alles“ ist und dass es in Radebeul eine „Anlegestelle für Dampfer und Mond“ geben soll. Auch einen „Meditationsraum“ an einem der unwirtlichsten Orte von Radebeul (am verfallenden Bahnhofsgebäude in Radebeul-West) kann man entdecken, bei dessen Anblick jeder Radebeuler den Lärm der vermeintlich vorbeidonnernden Schwerlaster und Güterzüge zu hören glaubt. Wesentlich ungestörter erfolgt hingegen das „Nächtliche Zueinander unter Wasser“, welches eine andere Arbeit suggeriert. Ach, wäre doch alles so einfach!

Und so wandern die Künstler sinn-bildlich durch die Lößnitzstadt, welche jeder Einwohner genau zu kennen glaubt. Doch selbst die Alteingesessenen haben sich beim Rundgang durch die Stadtgalerie verwundert die Augen gerieben und dabei Erstaunliches entdecken können: Die Friedensburg – „verspielt“? Das Elbtal von Bacchus und Winnetou mit Rotwein geflutet? Pseudo meint dazu mit trockenem Humor: „Na dann, gute Nacht“. Doch der Nacht folgt ein heiterer Sommertag. Die Farben scheinen zu explodieren. Der Abend ist weich wie Seide und das mediterrane Flair der Lößnitzstadt lockt die Menschen aus ihrem Gehäuse.

Bilder sprechen für sich und miteinander. Die Blicke aus den Ateliers der Künstler können sehr verschieden sein. Während sich das warme Licht des Blutmondes über romantische Villen und Gärten in der Niederlößnitz ergießt, werden die Industrieanlagen in Radebeul-Ost von kaltem Licht erhellt.

Die Vertreter der älteren Generation überraschen immer wieder mit Malerei in hoher künstlerischer Qualität. Einige dieser Bilder erzählen alte Geschichten. So zeigt „Der vergessene Strauß auf dem Gartentisch“ eine Malve von erlesen schöner Farbigkeit in tiefdunkelrotbraunviolett. Deren Samen hatte einstmals das noch junge Künstlerpaar Ute und Werner Wittig vom Maler Paul Wilhelm geschenkt bekommen. Der Malvensamen wurde jährlich ausgesät, doch die Farben haben sich so nach und nach entmischt, wie auch die Erinnerungen verblassen. Nichts bleibt wie es ist.

Wolfgang Smy »Das Fest – die frohe Botschaft«, 2010, Mischtechnik

Es gibt keinen Stillstand, alles ist in ständiger Bewegung. Tag und Nacht wechseln in unendlicher Wiederholung. Die Übergänge, ob Morgengrauen oder Abenddämmerung, werden als individuelle Sequenzen wahrgenommen – sowohl vom Künstler als auch vom Besucher dieser Ausstellung.

Unbestritten ist die Radebeuler Kunstszene sehr lebendig und der werbende Slogan „Radebeul – eine Stadt zum Genießen“ wurde zum diesjährigen Künstlerfest sowohl lukullischen als auch kulturell bedient. Fünf musikerprobte „Spechte“ mit Flüstertüte, Saxophon, Schlagzeug, Tuba und Akkordeon versetzten das gemischte Publikum in eine sehr beschwingte Stimmung. Das SCHATTENMASKENMIMENMUSIK-Theater Anasages aus Chemnitz zelebrierte in einer Performance auf einfühlsame Weise den Kreislauf vom Werden und Vergehen sowie das ewig wiederkehrende Spiel zwischen zwei Menschen im Ringen um Nähe und Distanz. Wahrlich ein Genuss für alle Sinne! Wer nicht dabei war, hat etwas verpasst. Nicht verpassen sollte man allerdings diese Gemeinschaftsausstellung, welche noch bis zum 28. Oktober zu sehen ist.

Karin (Gerhardt) Baum

Fotos: Karin (Gerhardt) Baum

KÜNSTLER:
Dieter Beirich, Sophie Cau, Brian Curling, Friedrike Curling-Aust, Hanns Erlanger, Lieselotte Finke-Poser, Clara Freier, Thomas Gerlach, Karen Graf, Peter Graf, Roland Gräfe, Christine Grochau, Sylvia Hensel, Christiane Herrmann, Gunter Herrmann, Horst Hille, Michael Hofmann, Holger John, Matthias Kistmacher, Cornelia Konheiser, Karen Koschnick, Matthias Kratschmer, Ingo Kuczera, Dorothee Kuhbandner, Bärbel Kuntsche, Käthe Kuntze, Klaus Liebscher, Carl Lindeberg, Johanna Mittag, Peter PIT Müller, Tine Neubert, Gerd-Rüdiger Perschnik, Anne-K. Pinkert, Pseudo, Gabriele Reinemer, Markus Retzlaff,
Lutz Richter, Georg Richter-Lößnitz, Gerald Risch, Gabriele Schindler, Annerose Schulze, Fritz Peter Schulze,
Gerold Schwenke, Enrico Scotta, Gabriele Seitz, Karl Sinkwitz, Karola Smy, Wolfgang Smy, Ju Sobing, André Uhlig, Ralf Uhlig, Christian URI Weber, Irene Wieland, Renate Winkler, Ute Wittig, Tobias Wolf, Reinhard Zabka

Kynastweg 37 – ein übersehenes Winzerhaus?

Herr Georg Wulff hatte 2003 versucht, alle Radebeuler Winzerhäuser (immerhin hat er 34 gefunden) in einem Artikel für die Mappe „Beiträge zur Stadtkultur“ des Vereins Denkmalpflege und neues Bauen Radebeul e.V. zu erfassen und darzustellen. Sicherlich war das verdienstvoll, vielleicht liegt aber die Schwierigkeit bei der Definition und Abgrenzung, wo spricht man von Winzerhaus und wo nicht mehr. Hinzu kommt, dass der Begriff „Gut“ sowohl für Weingut als auch für Bauerngut verwendet wurde und wie später von mir dargestellt, hier beide Nutzungen nacheinander stattgefunden hatten. In einigen Fällen sind die Grenzen wohl auch durch An- und Umbauten fließend. Jedenfalls taucht in seiner Auflistung das „Gut Baurick“, lange Zeit Kynastweg 35, jetzt aber Kynastweg 37, nicht auf. Es gibt unter den Winzerhäusern viele, deren Eigennamen wie „Haus Breitig“, „Haus Lotter“ oder „Bischofspresse“ in Radebeul durchaus geläufig sind. Wenn ich aber meine Freunde und Bekannten nach „Gut Baurick“ fragte, bekam ich als Antwort nur ein Kopfschütteln. Dem will ich Abhilfe schaffen!

Ansicht von Westen, um 1912
Bild: Sammlung H. Sparbert

Der Lehrer und verdienstvolle Heimatforscher Curt Reuter (1893-1967) hatte mal ein paar Namen und Fakten zur Geschichte dieses Grundstücks in Zitzschewig unter Brandcataster-Nr. 92 notiert, die will ich verwenden und ein wenig ergänzen. Demnach wurden im 17. Jahrhundert an diesem Ort unter Mitwirkung von Magister Daniel Hänichen lediglich zwei oder drei Weinberge (Mörisch, Gänsekragen, Cunzen- oder Katzenberg) jedoch kein Gebäude ge- bzw. verkauft. Diese Weinberge lassen sich heute kaum noch exakt zuordnen, bis auf den Gänsekragen, der mit dem Flurstück 362, Gem. Zitzschewig identisch sein dürfte, auf dem auch das Winzerhaus liegt.

Ölbild »Westansicht Gut Baurick« von Alfred Richter, 1958
Bild: Privat

Erst 1706 kauft lt. Kaufvertrag Hans Wolf von Schönberg zwei Weinberge mit Haus (bez. als Winzerhaus, Stall u. Presse). Demzufolge wird das Haus zwischen 1656 und 1706 errichtet worden sein, auf jeden Fall also nach dem Dreißigjährigen Krieg. 1736 verkauft Landkammerrat von Schönberg zwei Weinberge, ein Winzerhaus und ein Haus mit Presse an Kreisamtmann Johann Friedrich Fleuter. Im folgenden Verkauf 1778 an Johann August Stöckhardt werden ein Winzerhaus und vier Weinberge (Mierisch, Gänsekragen, Katzenberg und Dreizippler) aufgeführt – d.h., im Laufe der Geschichte des Winzerhauses werden unterschiedlich viele Weinberge mit z.T. unterschiedlicher Schreibweise (hier halte ich mich an Reuter) erwähnt. Dafür gibt es auch in Nieder- und Oberlößnitz verschiedene Vergleichsfälle.

Ansicht von Norden, 2018
Foto: D. Lohse

Zum alten Winzerhaus mit Durchfahrt kamen im Laufe des 18. Jh. weitere Gebäude hinzu, bzw. wurden umgebaut, so der ebenfalls unterkellerte zweigeschossige Westflügel und ein Wirtschaftsgebäude auf der Ostseite (könnte mit o.g. Stall identisch sein) und ein Gebäude mit der Weinpresse (hier wird der nördliche, derzeit ruinöse Anbau gemeint sein, der einst auch ein Satteldach trug), so dass ein u-förmiger, nach Süden offener Gebäudekomplex entstand, wie er auf dem Freiberger Meilenblatt von 1801 zu erkennen ist. Die bauliche Entwicklung lässt den Schluss zu, dass der Weinbau um diese Zeit wohl recht ertragreich gewesen war. Apropos Durchfahrt, das ist ein Detail, was ich so an keinem anderen Winzerhaus gesehen habe, also etwas Einmaliges. Hier dürfte es der Enge geschuldet sein, die wir heute noch am Kynastweg spürbar erleben können. Wenn wir das Fachwerkgefüge vom Hof aus betrachten, könnte man vermuten, dass es sich bei der Durchfahrt einschließlich des Raumes darüber um einen frühen Anbau vor 1854 an das Kerngebäude handeln könnte. Hierzu wären genauere Untersuchungen erforderlich. Eine Weinpresse existiert leider nicht mehr und auch zum früheren Standort derselben können heute nur Vermutungen angestellt werden.

Dann taucht 1836 mit Johann Gottlob Baurick in Reuters Eigentümerauflistung erstmals dieser Familienname auf. Der Besitz bleibt über 100 Jahre in der gleichen Familie, was der Grund ist, dass man in Zitzschewig lange Zeit vom „Gut Baurick“ sprach. Sein Besitz wird 1853 mit einem Winzerhaus mit Durchfahrt und Keller, einer angebauten Weinpresskammer und zwei Weinbergen beschrieben. Ab 1854 besitzt das Anwesen Carl Gottlob Baurick (wohl der Sohn des o.g.), der 1884 eine Scheune südlich errichten lässt und so ein Vierseithof entsteht. Daran erkennen wir, dass zu dem Zeitpunkt (zugleich Beginn des Reblausbefalls in der Lößnitz) der Weinbau hier zumindest rückläufig war und der Betrieb sich dem Gartenbau bzw. der Landwirtschaft zuwendete – ein Winzer braucht normalerweise keine Scheune.

Im gerodeten Weinberg dürften nun Bäume (Pfirsich, Pflaume oder Birne) gepflanzt und Obst und Gemüse (Erdbeere u. Spargel) angebaut worden sein. Auf einem Foto von Helmuth Sparbert (1893-1971) von 1912 erkennen wir jedenfalls Spargelzeilen. Im östlichen eingeschossigen Seitengebäude, das früher ein Satteldach hatte, könnten zeitweise auch etwa zwei Kühe, drei Schweine und Hühner gehalten worden sein. Ein weiterer Baurick, nämlich August Baurick, taucht 1897 erstmals auf und firmiert 1931 als Gartenbaubetrieb (Kynastweg 23). 1940 wird er im Adressbuch noch als Eigentümer von „Gut Baurick“ genannt, jedoch wohnhaft in Chemnitz. Hier wohnt zu dem Zeitpunkt im EG des Gutes noch die Tochter Antonie Baurick. Nach 1945 ist zunächst das Gebäude durch Flüchtlinge überbelegt und die Gärtnerei liegt brach. Dann herrscht hier Leerstand und Verfall, so dass Zitzschewiger Bewohner nicht mehr vom „Gut Baurick“ sondern sarkastisch von der „Rattenburg“ sprechen.

Ab Mitte der 20er Jahre des 20. Jh. wird eine Parzellierung des Grundstücks vorgenommen und erste kleinere Wohnhäuser entstehen (ein Indiz, dass auch der Gartenbau wenig Erfolg hatte), weitere solche dann in der DDR-Zeit und schließlich auch Neubauten ab 1990. Die Adressen Kynastweg 21, 23a, 25, 25a, 27, 29 u. 33 sowie Hausbergweg 35a, 37, 43, 45 u. 47 befinden sich auf dem ehemaligen Weinberg des „Gut Baurick“. Dadurch wurde die ehemals freie Lage des Winzerhauses in der Landschaft beeinträchtigt, muss aber letzten Endes durch den Wegfall des Weinanbaus so hingenommen werden. Etwas anders ist der Umbau der Scheune zu einem einfachen Wohnhaus in den 60er Jahren zu betrachten, hier wurde nach Teilung und Verkauf die Adresse Kynastweg 35 vergeben – das Winzerhaus (vormals Nr. 35) erhielt nun die Adresse Kynastweg 37. Der erste Umbau der Scheune genügte dann den heutigen Wohnanforderungen wohl nicht mehr, denn nach 1990 wurde nochmals umgebaut, jetzt kann man von einem Neubau anstelle der Scheune sprechen.

Ein erster Versuch um 2000 durch ein Künstlerpaar, das Winzerhaus wieder bewohnbar zu machen, führte leider nicht zum Ziel. Aber sie hatten die Durchfahrt zugemauert, dieser Fehler musste später korrigiert werden. Die neue Eigentümerin, Frau Dr. Evelyn Hoffmann, eine Urradebeulerin mit beruflichem Ausflug über Leipzig und nun wieder Radebeulerin, begann dann 2014 mit der Planung einer eigenen Wohnung und hatte mehr Glück. Die Firmen Graetz (Zimmermannsarbeiten), Zscherpe (Dachdecken) und Bialek (Baugewerke) – alle drei keine Neulinge in Sachen Denkmalpflege – verhalfen dem Gut wieder zu einer guten Bewohnbarkeit und erfüllten denkmalpflegerische Auflagen und nun ist es am Ausgang des Rietzschkegrundes für Vorbeikommende wieder ein „Hingucker“ geworden!

Schade, dass die Pappeln auf der Westseite entfernt werden mussten. Sie waren, wie wir auf alten Fotos erkennen eine Landmarke, die mit den Pappeln vom „Paulsberg“ korrespondierte.

Auch wenn noch Restarbeiten am nördlichen Anbau und Tor folgen, auch Hof und Garten fertig gestellt werden müssen, erkennen wir schon, dass sich hier eine interessante Gebäudegruppe zwischen Haus Kynast und dem Paulsberg abzeichnet, an der man lange achtlos vorbeigefahren war. Das höchste Gebäude ist das unterkellerte Winzerhaus mit massivem Erdgeschoss, auf der Hofseite sichtbarem Fachwerk im Obergeschoss und mit Biberschwanzziegeln gedecktem Walmdach einschließlich Fledermausgauben. Der etwas jüngere westliche Teil mit Krüppelwalm am Südende des Daches wurde weitestgehend gleich behandelt. Das ehemalige Stallgebäude ist mit einem Pultdach versehen und damit kann hier auf das Satteldach (historischer Zustand) verzichtet werden. Die farbliche Behandlung der Putzflächen mit Hellocker, des Fachwerks Dunkelbraun, der Holzfenster Blaugrau und dem Rotton der Dachziegel geht zum großen Teil auf Befunde zurück – der Gesamteindruck ist sehr ansprechend. Danken möchte ich Frau Hoffmann auch bei der Unterstützung meiner Recherche und wünsche ihr eine schöne Zeit im „Gut Baurick“ in Zitzschewig. Vielleicht könnten Fensterklappläden mit Kleeblattlöchern, da wo früher solche waren, später noch nachgerüstet werden.

Der Nachweis, dass es sich beim „Gut Baurick“ hauptsächlich um ein ehemaliges Winzerhaus handelt, dürfte damit erbracht worden sein.

Dietrich Lohse

Bildunterschriften:

1. Ansicht von Westen um 1912 (Sammlung H. Sparbert)

2. Ölbild „Westansicht Gut Baurick“ von Alfred Richter, 1958

3. Aktuelles Foto von Norden (D. Lohse)

Wer erinnert sich noch?

Wie sich das Radebeuler Stadtbild verändert

Es ging recht schnell mit dem Abriss des imposanten Bürogebäudes des ehemaligen Glasinvest in Radebeul-Ost, Meißner Straße Ecke Hauptstraße. Zum Jahresende 2016 war es geschehen. Zügig sollte 2017 die Neubebauung des Geländes beginnen. Projekte dazu wurden in den zurückliegenden Jahren in regelmäßigen Abständen veröffentlicht und zur Diskussion gestellt. Ein prägender Abschluss des oberen Teils der Hauptstraße sollte und soll es werden mit Wohn- und Geschäftshäusern, zentralem Platz und Tiefgarage. Doch von all dem ist bisher nichts zu bemerken. Im Gegenteil, zunächst wird die Baufläche als Zwischenlager für den Erdaushub eines anderen Bauvorhabens genutzt. Eher oder später wird sicher ein neues Projekt seine allseitige Vollendung finden. Interessant ist in diesem Zusammenhang jedoch die Frage: Wie sah es wohl früher, vor dem Neubau von Glasinvest an dieser Stelle aus?

Blick vom Biergarten »Vier Jahreszeiten« auf das Hauptgebäude
Foto: R. Ziel

Sehen wir zunächst etwa 45 Jahre Jahre zurück. Damals befand sich auf einem Großteil dieser Fläche eine Bauernwirtschaft, älteren Radebeulern noch als Bauer Haase bekannt. Dieses Anwesen musste Mitte der 70iger Jahre dem Bauvorhaben des VEB Glasinvest Radebeul weichen, einem Betrieb, der seit etwa 1954 seinen Stammsitz in Radebeul-Mitte auf der Schuchstraße Nr. 4 hatte. Glasinvest war das zentrale Projektierungsbüro für die gesamte Glasindustrie der DDR. In dieser exponierten Stellung wuchsen schnell die Aufgaben und die Belegschaft, so dass schon bald Pläne für eine bauliche Erweiterung reiften. 1974 nahmen sie konkrete Gestalt an, in deren Folge auch bald der Abriss des Bauerngehöfts begann. 1978 war offizieller Baubeginn, und bereits 1980 konnte die Belegschaft in ein imposantes Bürogebäude einziehen. Nach 1989 und der folgenden Betriebsauflösung fand das Objekt das zeitweilige Interesse anderer Mieter, erlitt aber mit zunehmendem Leerstand seinen baulichen Verfall, und das Gelände verwahrloste. Daher begrüßten nicht wenige den Rückbau des Gebäudes, zumal dieses 7-stöckige Hochhaus schon von Anbeginn nicht so recht in das Radebeuler Stadtbild passen wollte.

Grundstücksansicht in Fahrtrichtung Radebeul-West
Foto: R. Ziel

Doch zurück in die Jahre vor 1974. Geschichtlich gesehen war das Gehöft Haase ein Rudiment aus der Zeit, wo die Oberlößnitz noch einen ländlichen Charakter hatte. Und in dieser Art betrieben die Eigentümer ihre Bauernwirtschaft bis zuletzt. Als Eckgrundstück zwischen der damaligen Ernst-Thälmann-Straße (jetzt Hauptstr.) und der Wilhelm-Pieck-Straße (jetzt Meißner Str.) lag dieses Objekt jedoch an einer exponierten Stelle. Eine bildliche Vorstellung zu der damaligen Situation und dem Standort geben die Fotoaufnahmen. Die große Torausfahrt aus dem Grundstück führte direkt auf die Meißner Straße und damit Hauptverkehrsstraße! Der vorbeiführende Fußweg hatte bis zur Wand des Hauptgebäudes eine Breite von 30 cm. Weitere ca. 80 cm von der Fußwegkante lagen bereits die Schienen der Straßenbahn. Diese Grenzlage war verkehrstechnisch gesehen ein nicht haltbarer Zustand. So gestaltete sich schon damals dieser Straßenabschnitt zu einem Nadelöhr für den Auto- und Straßenbahnverkehr. Und erst recht für die Fußgänger, sofern sie überhaupt die Passage an dieser Stelle wagten. Mit dem Baugeschehen der damaligen Zeit ergab sich nun die Möglichkeit, die Straße so zu begradigen und zu erweitern, wie sie heute vorhanden ist.

Das Hauptgebäude Haase aus Blickrichtung E.-Thälmann-Str.
Foto: R. Ziel

Jetzt liegt es in den Händen aller Verantwortlichen und Investoren, für diesen zentralen Punkt im Osten Radebeuls ein städtebauliches Projekt zu realisieren, das in der Zukunft sowohl in Funktion als auch im Bild bestmöglich dem Flair unserer Stadt entspricht. Diese Aufgabe ist eine Herausforderung, aber auch eine einmalige Chance!

Richard Ziel

Bilder: Richard Ziel

Bildbeschreibung: Bild 1: Benannte Straßenecke in Fahrtrichtung Dresden
Bild 2: Blick vom Biergarten „Vier Jahreszeiten“ auf das Hauptgebäude
Bild 3: Das Hauptgebäude Haase aus Blickrichtung E.-Thälmann-Str.
Bild 4: Grundstücksansicht in Fahrtrichtung Radebeul-West

Auf den Hund gekommen

Zur aktuellen Sonderausstellung in der Hoflößnitz

Mit dem chinesischen Neujahrsfest am 16. Februar begann im Reich der Mitte, astrologisch betrachtet, das Jahr des Hundes, das im chinesischen Horoskop ausgesprochen positiv konnotiert ist. »Mit dem Hund tritt Vernunft, Ordnung und Gerechtigkeit in die Welt. […] Als elftes Tierkreiszeichen kombiniert er Kreativität, Tatkraft und Pragmatik«, ist im weltverbindenden Netz zu lesen. Auch das Weinbaumuseum Hoflößnitz ist seit dem »Tag des offenen Denkmals« auf den Hund gekommen, nicht im wenig schmeichelhaften übertragenen Sinne, sondern ganz wörtlich. Im Fokus der noch bis 25. November laufenden diesjährigen Herbstausstellung stehen nämlich die beim flüchtigen Gang durch das reich ausgemalte Obergeschoss im Lust- und Berghaus der Hoflößnitz leicht übersehenen Hundedarstellungen an den Wänden des kurfürstlichen Wohngemachs.

Bild: Stiftung Hoflößnitz, I. Meffert

Der Bauherr des kleinen Weinbergschlösschens, Kurfürst Johann Georg I. (1585-1656), war ein leidenschaftlicher Jäger, ja nachgerade ein Nimrod. Die heute in der Sächsischen Landesbibliothek verwahrte »Summa Summarum Alles Hohen und Niedrigen Wilperts [Wildbrets] so Ihre Churfürstliche Durchlauchtigkeit von Anno 1611 bis 1650 in Jagen, Pirschen, Streiffen und Hetzen gefangen, geschossen und gehatzt« weist allein für die ersten knapp vierzig Jahre seiner langen Regentschaft die sagenhafte Strecke von 101.603 Stücken Wildes aus, vom Hirsch bis zum Hamster, vom Bären bis zum Biber und vom Eber bis zum Eichhörnchen. »Gefangen, geschossen und gehatzt« hat er die natürlich nicht allein, sondern mit Unterstützung einer vielköpfigen Schar zwei- und vierbeiniger Helfer, und unter letzteren spielten Hunde bei allem »Jagen, Pirschen, Streiffen und Hetzen« eine wesentliche Rolle.

Bild: Stiftung Hoflößnitz, I. Meffert

Der Himmel von Johann Georgs Jagdzimmer in der Hoflößnitz ist mit Ölgemälden von vielerlei Arten des jagdbaren Wildes tapeziert, darunter besondere Trophäen wie der Hirsch mit dem »Vornembsten gehörne der Enden« und »Das gröste schwein an gewichte«. An den Wänden führen leicht bekleidete Nymphen zwölf annähernd lebensgroß dargestellte Jagdhunde an der Leine – ein Zyklus, der wie so manches in diesem und den Nachbarräumen seinesgleichen sucht –, darunter sehr wahrscheinlich ebenfalls Porträts einiger Lieblingshunde des Fürsten, die durch die mit seinen Initialen gekennzeichneten Halsbänder aus der Meute herausstechen.

Anhand von Standardwerken der zoologischen und Jagdliteratur des 16. bis 18. Jahrhunderts führt die von der Radebeuler Kunsthistorikerin Dr. Magdalene Magirius kuratierte Schau vor Ort die Funktion der dargestellten Hunde im Rahmen der seinerzeit gebräuchlichen Jagdformen vor Augen. Diese beleuchtet der unter reichlich Requisiten mit einigen besonderen Schätzen aufwartende Ausstellungsteil im Kavalierhaus der Hoflößnitz näher, die auch der mit Jagd und Wein verbundenen Willkommens(s)kultur zur Zeit Augusts des Starken nachgeht. Die von ihm in der kurfürstlichen Lößnitz veranstalteten Feste zur Weinlese kamen selten ohne jagdliche Begleitmusik aus. Und, wie Hanns Friedrich von Flemming vor 300 Jahren bemerkte: »Bey solcher angestellter Herrschaftlichen Lust wird es niemahlen, sonderlich wegen Bier und Wein so genau genommen, welches der Herrschaft zu hohen Ehren gereichet, und kan ein Jeder bey solcher Lust sich ein klein Räuschgen trincken.«

Tag des offenen Denkmals ist im Sächsischen Weinbaumuseum bei mäßigem Eintritt ja eigentlich fast immer (geöffnet 10-18 Uhr, außer montags). Eine besonders passende Gelegenheit zum Besuch der Ausstellung »Hund und Wild – die kurfürstliche Jagdlust im Spiegel der Tierdarstellungen in der Hoflößnitz« – und sicher auch zum Trinken eines »kleinen Räuschgens« – bietet sich jedoch am ersten Oktoberwochenende, wenn zum »3. Churfürstlichen Weinbergfest« vom 5. bis 7. Oktober jeweils ab 12 Uhr einmal mehr Jagdgöttin Diana aus ihrem Bilde ins pralle Leben tritt und gemeinsam mit Bacchus das Zepter in der Hoflößnitz übernimmt.

Frank Andert

Wein & fein, wieder einmal eine feine Ausstellung

Zeichnungen und Druckgrafiken von Tobias Wolf

Die Ausstellung, wie so oft launig und Hintergrundwissen vermutend, aber nicht gesagt, kuratiert und von D. Reinemer eingeführt, lässt den Betrachter eine Bilderwelt anschauen: witzig, sarkastisch, weise und in eine Bildsprache übersetzt, die überrascht und zum wissenden Lächeln animiert. Ja, ja, so ist das.

Dabei ist der Mann noch gar nicht so alt (Geburtsjahr 1978 in Räckelwitz)

Er hat 3 Kinder und ist seit 2014 als Künstler tätig.

Stationen: Schule, Grundwehrdienst, Gasthörer HfBK, Student an der HfBK 2001 – 2008 (Bildhauerei), Student an der HTW Dresden Fachrichtung Umweltmonitoring (2008-2016).

Es war angenehm zu erleben, dass am Abend der Eröffnung – M. Gräfe und Co. wuselten wie immer eilfertig und gästefreundlich mit Schnittchen und Weinchen um die Vernissage-Gäste herum, außer Trommelwirbeln von Björn Reinemer an markanten Stellen – kein zusätzlich geladener Kunstwissenschaftler zugegen war, um dem Publikum zu erklären, was es denn so sähe. Quasi in Vertretung dessen, sprach der Künstler selbst zu seinem Werk bzw. zum zu erwartenden Verständnis seiner Bilderwelt.

Bild: T. Wolf

Mit Erlaubnis von Tobias Wolf möchte ich Auszüge aus seiner Rede, auf einem langen Papierband festgehalten, wortwörtlich zitieren.

Übrigens ist dieses Original in die städtische Kunstsammlung eilfertig und beflissen von Frau Baum übernommen worden. (Kostenlos, Künstler gib acht!)

„Ich weiß nicht, ob ich ein guter Künstler bin, aber immerhin weiß ich, dass ich ein Künstler bin. Und so wie der Anwalt den Paragraphen reitet… so mache ich BILDER. Und weil ich BILDER mache, kann ich darüber reden und ich sage: BILDER SIND WICHTIG“

„Nun bedenken sie aber, dass wir heute mit BILDERN erstickt werden. Wo man hinschaut BILDER. Fernsehen, Internet, Werbung, Magazine, Piktogramme… aber, all diese BILDER wollen den Betrachter nicht herausfordern, im Gegenteil, sie wollen den Betrachter einschlummern… damit er aufhört, über seine Gefühle nachzudenken, in dem er sie beschreibt, dass er statt dessen ein kleines gelbes Strichgesicht anklickt… und das ist nicht gut.“

“ Was unsere Zeit so anders macht, das ist die Masse und die totale Verfügbarkeit von BILDERN! Es heißt ja, ein BILD sagt mehr als 1000 Worte. Ich behaupte, dass heute 1000 BILDER kaum noch etwas zu sagen haben. Und weil das stimmt, was ich gerade gesagt habe, ist es wichtig, dass die Menschen anfangen, darüber nachzudenken, was ein BILD ist. Und wer kann denn da ein besserer Gesprächspartner sein als der: Künstler, der die BILDER macht.“

„In diesem Sinne möchte ich sie bitten, erst morgen anspruchsvoller zu werden und heute meine BILDER einfach toll zu finden.“

Erfreulich, so auch die Feststellung D. Reinemers, der Altersdurchschnitt an diesem Abend wurde durch die Anwesenheit von vielen jungen Besuchern bemerkenswert nach unten gedrückt. Also: auf nach neuen Wegen, Jugend empor, Prost!

Apropos: die Weine von Gräfe sind empfehlenswert, zumindest bei Ausstellungseröffnungen. Das sei dem interessierten Publikum mit auf den Weg gegeben.

Dietmar Kunze

Schüler entdecken Zukunft und Vergangenheit

Einladung zur Präsentation eines Schülerprojekts zu Gebäuden in Radebeul

Wenn man Veranstaltungen des Vereins für Denkmalpflege und neues Bauen oder anderer, sich mit Kultur, Geschichte und Kunst in Radebeul beschäftigender Vereine besucht, trifft man zumeist auf die für diese Belange interessierte Generation 55+. Warum ist das so?

Blick auf Schloss Hoflößnitz
Foto: M. Mitzschke

Vor ca. 30 Jahren, als sich im Schwung der Wende viele Vereine und Gruppen bildeten, um an den unterschiedlichsten Stellen bei der Gestaltung unseres Gemeinwesens mitzuwirken, waren doch auch viele junge Engagierte zu finden.

Welche Beweggründe führten junge Leute damals dazu, die gleichgesinnte Gemeinschaft zu suchen und die neuen Freiheiten auch im Engagement und Bildung zu Kunst, Kultur und eben auch Denkmalpflege zu leben? Wie kam es, dass Umwelt, Baudenkmale etc. als so hohe Werte betrachtet wurden, dass diese es wert waren, dafür Freizeit aufzubringen?

Wo liegen die Gründe, dass der Verein junge Leute in seinen Reihen beim Thema Denkmalpflege vermisst?

Blick in Richtung Westen: Villa und Minckwitzsches Weinberghaus
Foto: M. Mitzschke

Richtig, 1989 drohte vielen Gebäuden der Verfall oder dann auch die unsachgemäße Sanierung. Vieles rief förmlich danach angepackt zu werden. Leidenschaftlich wurden Ideen und Ideale zur Umgestaltung der Gesellschaft, zur Förderung und Bewahrung unserer gebauten und natürlichen Umwelt diskutiert. Es bot sich die Gelegenheit, mit Leidenschaft für Veränderungen zu wirken, Schätze vergrauten Glanzes zu heben. So vieles konnte aus der Taufe gehoben werden, was schon bald erlebbar war (der Bauherrenpreis, die Beiträge in der Losen-Blatt-Sammlung, Chronos und die Trauernde…) Engagement führte bald zu sichtbaren Früchten und das ist wichtig, um junge Leute zu begeistern. Auch das Zusammenfinden in einer Gemeinschaft für gemeinsame Ziele war nicht ungewohnt.

Die heutige Situation ist anders. Unsere Baudenkmale sind zumeist saniert. Bei den wenigen verfallenden Bauwerken, wie der Kolbe-Villa oder der Villa Heimburg gibt es scheinbar keinen Ansatz, sich einzubringen, um etwas zu retten. Neubauvorhaben und die „Über-„verdichtung des Stadtraumes sind schwer zu beeinflussen. Die verborgenen Schätze sind zumeist gehoben.

Um Konzepte für Veränderungen in der Stadt wird zäh gerungen, so dass der Ansatz, dass wir uns eine lebenswerte Umwelt bauen wollen, unter widerstreitenden Interessen oft nicht mehr erkennbar ist. Die Möglichkeiten, des sich mit Freude Einbringens und das Erleben von daraus resultierenden, sichtbaren Erfolgen sind wesentlich begrenzter geworden. Da gibt es viele andere Möglichkeiten, um mit mehr Freude wahrnehmbare Erfolgserlebnisse zu haben. Ist es das, was junge Leute abhält, sich heute für ein Thema wie Denkmalpflege zu engagieren?

Andererseits welch tolle Gebäude, Stadträume und gestaltete Landschaft sind in Radebeul zwischen Fluss und Lößnitzbergen entstanden. Wie viele Ideen, Mühen, Schweiß und Geld wurden aufgewendet, um dieses schöne, heute erlebbare Stadtbild reifen zu lassen.

Es ist an uns, dies immer wieder bewusst zu sehen, zu erleben und die Gedanken, was wir als wertvoll empfinden auch an die jungen Leute weiterzuvermitteln. Das ist Herausforderung an den Verein, für jeden Einzelnen in den Familien aber besonders auch für die Schulen.

Schon lange fragen wir uns, wie wir etwas von unserem Engagement für die Qualität des Bauens in Radebeul, für die Erhaltung des besonderen Charakters dieser Stadt an junge Leute weitergeben und mit ihnen weiterentwickeln können. In der Zusammenarbeit mit Radebeuler Schulen hoffen wir, dafür eine Chance zu bekommen.

Spannend wäre es für uns zu erfahren, wie Schüler unser gebautes Stadtbild wahrnehmen. Machen sie sich dazu Gedanken? Was ge- oder missfällt ihnen und warum? Was erscheint ihnen als wertvoll, bewahrenswert und was sind die Gründe dafür? Wie soll sich unsere Stadt einmal entwickeln?

Wir freuen uns, dass es uns im nun begonnenen Schuljahr gelungen ist, eine Möglichkeit zu finden, mit dem Thema „Die Weinberglandschaft – eine Einheit aus Landschaft und Gebäuden“ am Gymnasium Luisenstift mit Schülern in Kontakt zu kommen.

Im Profilunterricht des gesellschaftswissenschaftlichen Profils der zehnten Klasse beschäftigt sich eine Gruppe von 20 Schülern mit der historischen Kulturlandschaft, die im Elbtal durch den Weinbau geprägt wurde.

Es soll der unmittelbare Lebensraum der Schüler, die Nachbarschaft der Schule betrachtet werden, um den Schülern deren Wert und die Notwendigkeit des Denkmalschutzes zu verdeutlichen.

Zunächst haben sich die Schüler mit Fragen – Was ist ein Denkmal? Was ist Kultur- und Naturerbe? Warum ist der Erhalt wichtig? – beschäftigt. In einem nächsten Schritt, soll die Weinberglandschaft und ihre Bebauung erschlossen werden. Dabei sollen sich wiederholende Gebäudetypen oder typische Merkmale erfasst werden, um zu prüfen, ob es eine Vereinheitlichung der historischen Bebauung gibt, ob diese gewollt war und ist. Dazu gehört die fußläufige Erschließung und Erfassung eines Gebietes um die Schule und dessen Kartierung. Die Schüler erfassen und dokumentieren die Gesamtsituation, den Erhaltungszustand und bauliche Details ausgewählter Gebäude. Es werden Materialien und Dokumente zur Geschichte und zum Ist-Zustand der Bebauung in Form von Plänen, Fotos und evtl. Literatur zusammengetragen. Diese sollen dann in eine geeignete Form der Präsentation einfließen. Ziel ist letztendlich durch die Neugier und das Interesse an der Erkundung eine Identifikationsmöglichkeit mit dem Lebensraum zu ermöglichen.

Wenn Sie interessiert sind, zu welchen Ergebnissen die Schüler gekommen sind, laden wir Sie herzlich am 26.10.2018, 19.30 Uhr ins Gymnasium Luisenstift in die Vorhalle des Weinberghauses ein.

Seien Sie mit uns gespannt, in der Veranstaltung zu erleben, wie junge Leute auf unseren Radebeuler Stadtraum sehen und was Ihnen dabei wertvoll erscheint. Stehen sie doch im Luisenstift auch in einem interessanten Spannungsfeld historischer und neuer Gebäude.

Katrin Krüger
Michael Mitzschke

Editorial

Es ist kaum zu glauben, aber unser Monatsheft, so wie die Wende auch, strebt seinem nunmehr 30 jährigen Bestehen unverdrossen entgegen. Zahllose Geschichten zu unterschiedlichsten Themen wurden bisher erzählt, einige sind derzeit im Begriff welche zu werden und viele Kommende harren noch auf ihre Zeit. Ein Kommen und Gehen möchte man sagen. Und doch erfreuen wir uns im Wandel der Zeiten mit unserem Heft einer gewissen Kontinuität im kulturellen Gedächtnis von Radebeul.

Unseren geschätzten Leserinnen und Lesern ist unser Format wohl vertraut. Viele werden sich noch an die ersten Ausgaben ab 1990 erinnern. Kunst und Architektur waren für das Titelbild immer stilprägend. Dann folgte über lange Zeit ein Titelblatt mit kräftigen Monatsfarben geschmückt und die Texte waren unruhig mit wechselnden Schriftgrößen versehen.

Ab 2010 ist das Layout komplett überarbeitet und liegt seither im bekannten und geschätzten Format vor. Die Monatsfarben werden der Tradition folgend nunmehr nur mit einem schmalen Rand markiert.

Eines ist aber immer geblieben – unsere gewollte „Schwarz-Weiß“ Ästhetik – mit der die meisten unserer Beiträge illustriert werden. Zwangsläufig sind viele optische Nuancen, insbesondere bei künstlerischen Abbildungen, leider nicht zu erspüren wie von einigen beklagt.

Dies hatte uns als Redaktion einst schließlich bewogen, auch der wandelnden Medienkultur gebührend, ab 2011 eine Online-Präsenz mit ausgewählten Beiträgen zu pflegen.

Daher möchten wir unsere verehrte Leserschaft freundlichst nochmal darauf verweisen, dass die Schwarz-Weiß-Bilder der Druckausgabe ausgewählter Texte in unserer Internetpräsenz www.vorschau-rueckblick.de quasi simultan in den gewünschten Farben zu erleben sind.

Sascha Graedtke

Geschichtlicher und wirtschaftlicher Abriss von NIEDERLÖSSNITZ anhand seiner Straßen und Bauwerke

Die Radebeuler Gemeinden von Nieder- und Oberlößnitz wurden spät, erst 1839, gegründet. Die anderen Altgemeinden bestanden nach urkundlichen Erwähnungen bereits seit dem 13. und 14. Jahrhundert.
Niederlößnitz liegt etwa in der Mitte der Altgemeinden Naundorf, Lindenau-Oberort, Wahnsdorf, Oberlößnitz, Serkowitz und Kötzschenbroda und war vor 1839 eine sehr dünn besiedelte landwirtschaftliche Fläche. Die Hauptkultur war der Weinbau sowohl in Steillagen als auch in flacheren Lagen. Hier gab es nur ein paar Winzerhäuser und einige Herrenhäuser, meist mit großen Abständen untereinander.

Ehemaliges Rathaus Niederlößnitz,
Rosa-Luxemburg-Platz 1 (1892-95) Foto: D. Lohse

Niederlößnitz erstreckt sich über ca. 3km von Ost nach West und ca. 1,5km von Nord nach Süd – auf der Karte bildet es ein lang gestrecktes Dreieck vom Lößnitzbach bis zu Wacker-barth’s Ruhe und von der oberen Hangkante etwa bis zur Meißner Straße.
Nur wenige archäologische Funde wie südlich vom „Luisenstift“, deuten auf eine ältere Besiedlung vor dem 16. Jahrhundert hin. So könnten auch einzelne Gebäude im 30-jährigen Krieg (1618-1648) total zerstört und nicht wieder aufgebaut worden seien. Größere Häuser, die nach diesem Krieg in Niederlößnitz errichtet und z.T. später umgebaut wurden, sind: Schloß Wackerbarth’s Ruhe, Altfriedstein, das Mohrenhaus, die Friedensburg, Haus Minckwitz und der Grundhof. Daneben existierten noch die kleineren Winzerhäuser u.a. „Fliegenwedel“, „Liborius“, „Lotter“, „Reinhardsberg“, „Möbius“, „Claus“ und „Barnewitz“ in Niederlößnitz.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts war der Weinanbau auf der Heidesandterrasse allmählich rückläufig und wurde schließlich durch die Reblauskatastrophe nach 1885 völlig beendet. Nach 1830 entstanden neben o.g. Winzerhäusern ein paar einzelne Wohnhäuser, u.a. Winzerstr. 1, und ab 1860 setzte in Niederlößnitz schließlich der große „Bauboom“ mit Landhäusern, Wohnhäusern und kleinen und auch großen Villen ein. Den größten Anteil am Aufbau in Niederlößnitz hatten die Baumeisterfamilien Große (Kötzschenbroda) und Gebr. Ziller (Serkowitz). Das spiegelte sich natürlich in der Bevölkerungsentwicklung von Niederlößnitz wider: 1856 nur 668 Einwohner und 1890 schon 2981, was fast einer Verfünffachung entsprach. Niederlößnitz lag damit nach Kötzschenbroda (1890 mit 4577 Einwohnern) auf dem zweiten Platz aller 10 Altgemeinden, hier zum Vergleich die 2017 für Niederlößnitz ermittelte Einwohnerzahl: 8521! Oberlößnitz hat eine ganz ähnliche Entwicklung genommen.
Das hatte auch auf das Straßen- und Wegesystem im Niederlößnitzer Revier Einfluss. Gab es vor 1860 nur Wirtschaftswege, Verbindungen zwischen den Winzer- und Herrenhäusern, Wege die der Topografie folgten – untere, mittlere und obere Bergstraße, diagonal verlaufende, unbefestigte Viehtriebe, so wurde das ehemalige Weingelände nun kleinteilig parzelliert und einem Rastersystem folgend, befestigte Straßen angelegt, parallel verlaufend und sich rechtwinklig kreuzend. So entspricht z.B. der Verlauf der heutigen Dr.-Rudolf-Friedrichs-Straße dem alten Wegesystem, und der der Hohen Straße dagegen dem neueren System. Mit dem neuen Straßensystem entstanden auch kleinere Plätze, wie der Rosa-Luxemburg-Platz oder der Zillerplatz.
Mit Gärten, Parks und Straßenbäumen in Niederlößnitz kam es zu einer überdurchschnittlichen Begrünung und damit zu einer guten Lebensqualität – zum Vergleich muss man nicht Stadtteile von Radebeul ansehen, sondern sollte andere Städte mit geschlossener Bebauung wie Meißen oder Großenhain betrachten.

Siedlungshaus, Rosa-Luxemburg-Platz 3 (1924) Foto: D. Lohse

In der Zeit des Aufschwungs – auch als Gründerzeit bezeichnet – entstanden in Niederlößnitz Schulen (Luisenstift), Kranken- und Pflegeeinrichtungen (Krankenhaus Heinrich-Zille-Str.), Verwaltungs- (Rathaus Niederlößnitz) und Handelseinrichtungen (priv. Läden), Gaststätten (Goldne Weintraube), etliche Gartenbaubetriebe und einzelne andere Betriebe (Bussard-Sekt-Kellerei), also ein funktionierendes Gemeinwesen. Die zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts brachten für Niederlößnitz ein paar neue Siedlungshäuser (Gebiet zwischen Heinrich-Zille-Str. und Winzerstr.), eine katholische Kapelle an der Borstraße (die spätere Kirche) und den Verwaltungsbau des Elektrobetriebes Gröbawerke im Körnerweg. In jener Zeit bestand in Niederlößnitz ein dichtes Netz von Läden und Versorgungseinrichtungen mit kurzen Wegen für die Anwohner – über diese gute Versorgung können wir heute nur staunen!
Zerstörungen aus dem 2. Weltkrieg sind in Niederlößnitz zum Glück nicht zu beklagen gewesen. Zwischen 1945 und 1989 änderte sich hier wenig, es entstand ein Theater, die Landesbühnen Sachsen in der ehem. Goldenen Weintraube, eine Reihe von DDR-mäßigen, größeren Neubauten (Hohe Straße), ein paar Typen-Einfamiliehäuser kamen hinzu, Kindergärten entstanden in alten Villen oder auch als Neubau, ein Krankenhausneubau und eine neue Kaufhalle am Rosa-Luxemburg-Platz wurden errichtet, dafür schlossen ein paar kleinere Läden – der Charakter unseres Stadtteils blieb aber im Wesentlichen erhalten.
Ab 1990 erkennen wir dann ein paar weitere Veränderungen in Niederlößnitz. Von den vielen bis dahin noch arbeitenden Gärtnereien schließt eine nach der anderen, u.a. weil der holländische Einfluss auf diesem Wirtschaftssektor zu stark war. Die Suche nach Baulücken (da gibt es durchaus einen Zusammenhang mit o.g. Gärtnereien) und darauf fußend der Wunsch, sich ein möglichst individuelles Eigenheim oder ein eher rentierliches Mehrfamilienhaus bauen zu lassen wuchs, sowohl durch immer hier ansässige, wie auch durch zugereiste Bauherren, von denen ein paar inzwischen auch Niederlößnitzer geworden sind und sich hier wohl fühlen. Schule und Krankenhaus konnten abermals erweitert werden und beim Krankenhaus (Elblandkliniken) wird demnächst eine erneute Erweiterung vollendet werden. Niederlößnitz hat mehrere Pflegeheime, teils in Altbauten, teils als Neubau. In Radebeul insgesamt gesehen kamen einige neue Kaufhallen hinzu und zwangsläufig änderte sich erneut das Kaufverhalten, was dazu führte, dass der Einzelhandel in Niederlößnitz abermals, fast könnte man von „gegen Null“ sprechen, zurückging. Mein Bäcker Ecke Humboldtstraße/ Winzerstraße blieb uns bis jetzt aber erhalten! Aus ehemaligen Eckläden entstanden jetzt in den meisten Fällen Wohnungen. Hausabrisse blieben die Ausnahme (wie der ehem. Ratskeller Niederlößnitz), dafür wurden viele Häuser (stellvertretend seien die Gröba-Häuser an der Ostflanke des Rosa-Luxemburg-Platzes genannt) und Villen saniert. Wir stellen fest: Niederlößnitz ist immer noch relativ locker bebaut, gut durchgrünt und lebenswert. Und nun wird gerade zum Fest die Neugestaltung des zentralen Rosa-Luxemburg-Platzes fertig sein, na ja, sagen wir fast fertig, da dürfen wir uns doch freuen!
Die für mich über die Zeit auffälligsten Veränderungen sehe ich beim Wegfall der ehemals zahlreichen Gartenbaubetriebe und privaten Läden im Kernbereich von Niederlößnitz, also im Radius von etwa 500m um das ehem. Rathaus und dafür aber eine Zunahme von Wohnbebauung.

Dietrich Lohse

Bläserquintett CARION aus Dänemark

Zum Benefizkonzert in Coswig/Neusörnewitz zu Besuch

Foto: PR Bläserquintett

Zu einem im doppelten Sinne ungewöhnlichen Benefizkonzert lädt die Initiative Coswig – Ort der Vielfalt in diesem Jahr nach Neusörnewitz ein. Zum einen ist das Bläserquintett CARION aus Dänemark etwas ganz Besonderes und zum anderen ist auch der Ort des Konzerts, die Betriebsräume der SUPERIORE.DE GMBH (Köhlerstraße 22), eine Rarität. Vor neun Jahren erwarb die Firma das Gebäude der ehemaligen Elektrowärme Sörnewitz und baute das denkmalgeschützte Gebäude in vier Jahre zum Stammsitz eines der größten Online-Weinhändler italienischer Spitzenweine in Europa aus und um. Alles läuft wie auch in den Jahren zuvor unter Schirmherrschaft des Coswiger Oberbürgermeisters Frank Neupold.
Das Ensemble CARION präsentiert an diesem Abend seine neue CD unter dem Titel „Dreams of Freedom“. In diesem Programm präsentieren CARION das große Thema „Sehnsucht nach Freiheit“ mit Werken von Komponisten, die unter den Verhältnissen ihrer Zeit weder arbeiten noch leben konnten und deshalb Wege in die Freiheit suchten. Zur Uraufführung kommt dabei ein eigens für das Ensemble komponiertes Werk eines jungen syrischen Musikers und Komponisten, der derzeit als Flüchtling in der Türkei lebt und von einer Fortsetzung seines Kompositionsstudiums in Europa träumt.
„Für uns als Initiative ist es etwas ganz außergewöhnliches, solch schöne Musik und so tolle Architektur hier zu einem Benefizkonzert verbinden zu dürfen“ erklärt Christiane Böttger (Vorsitzende des Vereins Coswig – Ort der Vielfalt e.V.) zu diesem Konzert. „Es ist uns einmal mehr gelungen, für unsere Arbeit als Initiative ein Highlight nach Coswig zu holen“. Alle Einnahmen aus dem Konzert fließen zu 100% in die Arbeit mit Flüchtlingen.

Sven Böttger

Das Konzert findet am 7.9.2018 ab 20 Uhr statt und die insgesamt 200 Karten zu 20 € gibt es in der Geschäftsstelle der Initiative auf der Karrasstraße 3 oder bei der Buchhandlung Ernst Tharandt bzw. unter der Telefonnummer 03523-2390879 oder unter initiative@coswig-ort-der-vielfalt.de.

175 Jahre Männerchor Radebeul e.V. „Liederkranz 1844“

Am 19. Mai 1844 fand die Gründung des Gesangvereins „Liederkranz 1844“ im Bahnhotel Radebeul statt. Seitdem treffen sich die Sänger allwöchentlich um die Tradition fortzuführen.
Der Gründer dieses Männergesangvereins war ein berufener und fähiger Mann, der viel von seinem Können und Wissen an die Mitglieder weitergab. Es war der Kantor der Kirche zu Kötzschenbroda, Traugott Friedrich Keller.

Der Männerchor vor dem Hotel »Goldener Anker« Foto: H. Ebert

Schon zu Anfang fanden sich 21 sangesfreudige Kötzschenbrodaer zusammen, um gemeinsam das deutsche Liedgut zu pflegen. Kantor Keller prägte und leitete den Chor 21 Jahre von seiner Gründung bis August 1865.
Die Sängerfrauen fertigten in Handarbeit eine Vereinsfahne und stifteten sie dem Verein. Damit unterstützten sie aktiv das Hobby ihrer Männer. Am 16. November 1873 wurde die Fahne feierlich geweiht und noch heute wird sie zu besonderen Anlässen stolz gezeigt. Dem Vereinsvorstand Fleischermeister Gerhard Schiefner (Vorstand: 1947–1991) ist es zu verdanken, dass es die Fahne noch gibt. Er hatte sie in den Kriegswirren versteckt und damit für den Chor bewahrt. Der Zahn der Zeit war auch an der Fahne nicht spurlos vorübergegangen, der Stoff war porös und die Lyra auf der Rückseite kaum noch zu erkennen. So entschlossen sich die Sängerfrauen die Fahne erneuern zu lassen und übernahmen hierfür die Kosten. Zur Weihnachtsfeier am 16. Dezember 2009 übergaben sie dann die restaurierte Fahne zur Freude ihrer Männer.
Bereits 1869 wurde der Chor in den „Deutschen Sängerbund“ aufgenommen. Die Sänger sahen es als Verpflichtung und Ehre. Nach einigen Unterbrechungen um den 2. Weltkrieg nahm in den 50er Jahren die Pflege von Geselligkeit und Frohsinn wieder zu. Chorproben und Auftritte wurden wieder zum Bestandteil des Lebens der Sangesbrüder. Nach der Wende wurde der Männerchor Radebeul e.V. „Liederkranz 1844“ auch ein fester Bestandteil im Rahmen der Eröffnung des Radebeuler Herbst- und Weinfestes auf dem Kirchvorplatz.
Anlässlich des 170-jährigen Jubiläums übergab nun Hans Jürgen Wächtler den Taktstock an seine Nachfolgerin, Frau Maria Meckel (jetzt Schreyer). Zum ersten Mal in der 170jährigen Geschichte wird ein Radebeuler Männerchor von einer jungen Chorleiterin dirigiert. Sie wurde von Anfang an von allen Sängern akzeptiert und mit Freude auf- und angenommen.
Das vorhandene und über viele Jahre gesungene Liedgut wurde auch weiterhin gepflegt, aber sie hat es von Beginn an verstanden, die Sänger auch an neuere, anspruchsvollere Lieder heranzuführen. Dadurch hat sie mit dem Chor auch einen Anklang bei den Zuhörern bei Auftritten erreicht.
Traditionsgemäß wird auch am 28. September 2018 um 17.30 Uhr das Radebeuler Herbst- und Weinfest vom Männerchor eröffnet. Diesen können Sie wie auch in den Vorjahren danach in verschiedenen Höfen mit seinen Liedern hören.
2019 wird für den Chor ein besonderes Jahr. Da feiert er sein 175-jähriges Jubiläum. Das soll ein ganz besonderes Erlebnis werden und dafür sind die Vorabsprachen und Vorbereitungen bereits gestartet.
Zum Abschluss ein Appell an alle Leserinnen und besonders an alle Leser, die Freude am Gesang und am Vereinsleben haben: Besucht uns an unseren Probeabenden im Hotel „Goldener Anker“ in Radebeul, immer montags 19 Uhr.
Ein schöner Sängerspruch, mit dem wir meistens unsere Proben beenden lautet:

„Gesang verschönt das Leben,
Gesang erfreut das Herz,
Ihn hat uns Gott gegeben,
zu lindern Leid und Schmerz!“

Georg Kabisch

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